Die Gesundheit im Zentrum
Folge 5 der Serie GELEBTE WERTE: GIBBeco – Genossenschaft Information Baubiologie
Auch heute noch wird dem Thema Baubiologie verhältnismässig wenig Aufmerksamkeit zuteil, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir damit tagtäglich unmittelbar und im wortwörtlichen Sinne hautnah in Berührung kommen. Die Geschichte der Genossenschaft Information Baubiologie ist gleichzeitig die Geschichte einer engagierten Gruppe von Menschen, die seit über 30 Jahren für die Werte einstehen, die Ihnen wichtig sind.
Die GIBBeco – Genossenschaft Information Baubiologie betreibt mit dem Oekoratgeber „Gesundes Haus“ und dem „Eco-Branchenverzeichnis“ die umfangreichste Informationsplattform für ökologisches und gesundes Bauen, Wohnen und Leben im deutschsprachigen Raum. Die nichtgewinnorientierte Genossenschaft GIBBeco bezweckt seit über 30 Jahren, das Gedankengut einer ökologischen und gesunden Lebensweise zu fördern und die Öffentlichkeit über den Sinn und die Bedeutung des natürlichen Bauen, Wohnen und Leben aufzuklären. Sie will die Gesunderhaltung der Umwelt und der Wohnumwelt unterstützen.
Im Interview mit Bosco Büeler, dem Geschäftsführer der Genossenschaft, wird schnell klar, dass es sich bei seiner Tätigkeit nicht um einen Beruf, sondern um eine Berufung handelt, für die er seit Jahrzehnte einsteht und oft auch dafür kämpfen musste.
Früher seien sie mit Ihren Anliegen oft belächelt und nicht ganz ernst genommen worden, dies habe sich heute glücklicherweise geändert. In der Zwischenzeit ist die Expertise von Bosco Büeler und seinem Team so gefragt, dass er weltweit für Vorträge, Schulungen und Projekte angefragt wird.
So war das Büro in Flawil auch lange Zeit das Sekretariat des ECOHB – European Global Network Ecobiology, dem europäischen Netzwerk für Baubiologie. Und das von GiBBeco seit 1980 herausgegebene Eco-Branchenverzeichnis ist längst ein vielbeachtetes Standardwerk, auf das nicht nur im deutschsprachigen Raum zugegriffen wird.
Die Ursprünge einer Vision
Entstanden sei die Idee 1977, als sich ein Grüppchen von 7 Personen mit ähnlichen Interessen in einem Kurs für Organisations- und Personalentwicklung getroffen haben. Inspiriert durch den Arzt Dr. Hubert Palm, dem Begründer der Baubiologie, dessen Buch „Das gesunde Haus“ das Grundlagenwerk der Baubiologie bildet, wurde eine Arbeitsgruppe gebildet. Diese setzte sich zum Ziel, dieses Thema nicht nur philosophisch zu ergründen, sondern Fakten dazu zu sammeln.
Eine der Publikationen von GIBBeco
Zusammen mit Bosco Büeler haben Pia, Paul und Hans Ackermann, Regula Lenz sowie Peter und Magrit Schleintzer damals eine Arbeitsgruppe in Flawil SG gegründet. Pia und Paul Ackermann vom Naturhuus Herisau seien bis heute dabei und Paul Ackermann bildet zusammen mit Stefan Haas und Bosco Büeler auch die heutige Geschäftsleitung der Genossenschaft.
Diese Gruppe erarbeitete dann erstmals eine BauBioDokumentation mit Skizzen und Berechnungen, um das theoretische Fundament mit Praxisbeispielen anzureichern. Zusammen mit dem Umwelttechniker Ruedi Müller-Wenk, dem Entwickler der ökologischen Buchhaltung, und zufälligerweise Nachbar von Bosco Büeler, wurde dann basierend auf der ersten Ökobilanz für Verpackungen bei Frisco-Findus die erste Öko-Bilanz für den Baubereich entwickelt.
Die Umsetzung in die Praxis
1980 wurde der erste Baubio-Ratgeber herausgegeben – damals noch mit dem Titel „Bezugsquelle für baubiologische Produkte und Dienstleistungen“ und ganzen zwei schreibmaschinen-getippten A4-Seiten. Der Ratgeber wurde dann kontinuierlich weiterentwickelt und erschien 1990 erstmals als Buch, das im Verlaufe der Zeit eine Auflage von 15‘000 Exemplaren erreichte.
Die erste Ausgabe des Baubio-Ratgeber 1980
Währenddessen wurde 1988 aus der Arbeitsgruppe eine Genossenschaft, in der Hansruedi Kobel als erster Präsident wirkte. In einem Auszug aus den damaligen Statuten sticht vor allem der Artikel 5 hervor: „Die Bewerber müssen sich über ihre positive Einstellung gegenüber dem gesunden Bauen, Wohnen und Leben ausweisen.“. Bewusst seien keine Unternehmen als Genossenschaftsmitglieder zugelassen worden, damit kein Vorwurf der Käuflichkeit entstehen könne.
Ein Zweckartikel beinhaltet auch die wirtschaftliche Unterstützung des schweizerischen Instituts für Baubiologie in Lausanne, das damals für die Lehre zuständig war, während sich die Genossenschaft in Zusammenarbeit mit Unternehmen auf die Praxis fokussierte.
Die erste Auflage als Buch 1990 (die letzte Print-Ausgabe ist oben zu sehen)
Kritische Stimmen
Trotz der nicht gewinn-orientierten Ausrichtung und der Nichtzulassung von Unternehmen als Genossenschafter seien immer wieder Grabenkämpfe zwischen Fundamentalisten und Pragmatikern entstanden. Speziell als der Baubio-Ratgeber zu einer Beilage des Ordners „Mein Wohnprojekt“ des Springer-Verlages wurde, das an alle Bauherren versandt wurde, häuften sich die Stimmen, die von einem Verrat an der Idee sprachen. Pragmatisch gesehen wurde so aber erstmals das Thema der Baubiologie in einer breiteren Öffentlichkeit publik, was ja einer der Zielsetzungen der Genossenschaft entsprach.
Später wurde das Knowhow der Genossenschaft zunehmend auch ausserhalb des deutschsprachigen Raums gefragt. So wurden in der Zwischenzeit in über 20 Ländern Workshops durchgeführt, Projekte begleitet und Ausbildungen organisiert. Angesprochen auf die dadurch entstehenden CO2-Belastungen meint Bosco Büeler schmunzelnd, dass sein Koffer leider nicht wasserdicht sei, denn sonst würde er schwimmend zu den jeweiligen Einsatzorten gelangen.
Die Weltkarte zeigt schon viele Wirkungspunkte
Nachhaltigkeit als gelebter Wert
Nichtsdestotrotz ist Nachhaltigkeit ein wichtiger, im täglichen Leben gelebter Wert. So bezieht das Sekretariat seit Jahren zu 100% erneuerbaren Strom, alle Verbraucher werden mit Zeitschaltuhren ausserhalb der Bürozeiten abgeschaltet, es werden nur noch LED-Lampen eingesetzt, der Abfall konsequent getrennt und wenn irgendwie möglich erfolgen Kundenbesuche nur mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Auch das 200 Jahre alte Haus, in dem sich das Sekretariat befindet, wurde baubiologisch umgebaut. Die heutigen Möglichkeiten des Internets haben dazu geführt, dass die Informationen zunehmend dorthin verlagert wurden, und so nicht mehr gedruckt werden müssen, was eine enorme Papier-Einsparung ergibt.
Doch mit einem weiteren Schmunzeln verweist Bosco Büeler darauf, dass sie nicht sektiererisch seien, deutet auf die Plastikstühle im Büro und gesteht, dass das Mittagessen verbesserungswürdig wäre.
Mit dem Beispiel vorangehen
Auch privat versucht er, vorbildlich zu leben und als Beispiel voranzugehen. So brauchen er und seine Familie nur die Hälfte des Elektrizitätsbedarfs des schweizerischen Durchschnitts (kontrolliert, selbstverständlich), fährt er seit 19 Jahren ein Solarmobil und ist Mitbegründer von Mobility gewesen. Für ihn ist aber auch ganz klar, dass der Weg zurück in die Höhle kein gangbarer Weg sei, denn auch er nutze Computer und TV, schaue dabei aber einfach sehr stark auf die Energie- und Ressourcen-Effizienz.
Bosco Büeler im Sekretariat der GIBBeco
Angesprochen auf die Wirkung seiner Tätigkeit, bedauert er es etwas, dass leider die von ihm für wichtig befundenen Themen nach wie vor eher am Rande denn im Zentrum der Entwicklung stehen, und dass der Kostenaspekt trotz weniger als 5% Mehrkosten immer noch prioritär gewichtet wird. Das führe dann aber dazu, dass sie schon öfters beigezogen wurden, um schadstoff-belastete Häuser zu sanieren, in denen die Menschen aufgrund aller Gifteinwirkungen wieder ausziehen mussten. Diese Kosten belaufen sich dann oft auf ein Mehrfaches dessen, was investiert hätte werden müssen, wenn baubiologischen Kriterien von Beginn weg Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre.
Sinn vs. Geld
Ihm selber sei das Geld nicht so wichtig. So habe er schon immer die Philosophie gehabt, dass er mit der Hälfte seines Tuns Geld verdiene und die andere Hälfte seines Tuns ehrenamtlichen Tätigkeiten widme. Ansonsten wäre wohl in der Pionierphase der Genossenschaft auch nicht so viel entstanden.
Auch heute noch unterstützt er immer wieder kostenlos Projekte, wie beispielweise aktuell ein baubiologisches Projekt in Kamerun, von dem er auch viel über die dortigen Sozialstrukturen lernen konnte. Ethik gehe bei ihm immer vor dem Auftrag, und so hat er auch schon in einer Funktion als Gutachter grössere Geldsummen abgelehnt. Wichtiger sei ihm der Sinn in seiner Arbeit, und da könne doch etwas stolz darauf sein, dass er etwas erreicht habe in seinem Leben und ohne Reue zurück blicken könne.
Viel erreicht
Und das hat er sicherlich: Das Portal gesundes-haus.ch erreicht heute immerhin 5‘000 Besucher monatlich, die für das Hauptthema „Gesundheit im Wohnumfeld“ sensibilisiert werden und so die Botschaft der Genossenschaft in die Welt hinaustragen. Im Ökoratgeber informieren 700 Artikel zu mehr als 300 Themen die Besucherschaft über baubiologische Themen, und das Eco-Branchenverzeichnis umfasst heute über 1700 Dienstleistungen und Produkte, von Firmen, Ämtern, Organisationen, Vereinen und Genossenschaften aus der ganzen Schweiz, welche die Grundsätze der Ökologie in Ihrer Tätigkeit achten und umsetzen. Sicherlich ist es in wesentlichen Teilen der Genossenschaft Baubiologie zu verdanken, das dem Thema heute immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Das Logo einer der Plattformen von GIBBeco
So geht ein langes Gespräch mit einem wahren Visionär und Pionier nach über drei Stunden zu Ende und hinterlässt bei mir das Gefühl, dass die Welt doch veränderbar ist, wenn man denn nur genügend Geduld und Engagement über viele Jahre aufbringt.