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Von Thailand und anderen Abenteuern

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Aus Liebe zu den Menschen

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Folge 4 der Serie GELEBTE WERTE: Sybille Sachs

Auf der Homepage des Instituts, das Frau Prof. Dr. Sybille Sachs leitet, steht folgende Vision im Zentrum: „Das Schaffen einer Grundlage für eine menschenzentrierte Wirtschaft, die nachhaltig Werte mit und für den Menschen kreiert“. Im Interview mit ihr wird schnell klar, dass dies nicht nur eine Vision, sondern eine gelebte Werthaltung ist.

Prof. Dr. Sybille Sachs ist Titularprofessorin an der Universität Zürich und Leiterin des Instituts für Strategisches Management: Stakeholder View an der Hochschule für Wirtschaft Zürich, ausserordentliche Professorin an der Faculty of Business and Law an der University of Southern Queensland, wissenschaftliche Expertin für Unternehmen im Bereich Stakeholder-Management, Autorin zahlreicher Bücher, Promotorin der Vereinbarkeit von Beruf und Familie des Kantons Zürichs, Ehefrau und Mutter.

Die Liste all der verschiedenen Tätigkeiten von Sybille Sachs ist lang (siehe Kasten) – so lang, dass es eigentlich schon fast überraschend ist, dass sie Zeit für ein Interview findet. Doch trotz all dieser Aufgaben wirkt sie bei unserem Treffen erstaunlich entspannt und gelassen. Das liegt wohl daran, dass sie auch wirklich das lebt, was ihr wichtig ist, und dass jede Ihrer Aufgaben sie erfüllt.

Schon zu Beginn des Gesprächs wird klar, dass es die Liebe zu den Menschen ist, die sie antreibt. Liebe im Sinn von Respekt gegenüber allen Menschen, so verschiedenartig sie auch sein mögen. Diese Grundhaltung zieht sich wie ein roter Faden durch ihr privates und berufliches Leben und zeigt sich heute in ihrem Einstehen für das Modell des Humanistischen Managements.

Gegensätze verbinden

Aufgewachsen sei sie sehr freiheitsliebend. Der Vater war Flight Engineer, die Mutter ein Freigeist. Beide haben ihr früh mitgegeben, dass die Liebe essentiell ist, als Fundament für das Leben. Die Schulzeit erlebte sie als eindimensional und wurde dadurch bald schulmüde, so dass sie nach dem Gymnasium zuerst  zwei Zwischenjahre einschaltete, die sie als Redaktionsvolontärin beim Schweizer Fernsehen verbrachte. Danach studierte sie Publizistik-Wissenschaften und Ökonomie. Sie arbeitete aber neben dem Studium immer wieder in der Praxis, weil ihr die Abwechslung wichtig war.

Als sie dann ihre Dissertation zum Thema „PR von Universitäten“ am Fallbeispiel der Uni Zürich schrieb, arbeitete sie im Uni-Pressedienst, am Lehrstuhl  für Marketing und wurde parallel dazu Mutter. In dieser Zeit lebte sie zusammen mit ihren Eltern in einem Drei-Generationen-Haushalt. Sie betont, dass dies nicht einfach dem klassischen Familienmodell entsprach, sondern geschah, weil sie ihre Mutter als sehr wertvollen Menschen hoch geschätzt habe.

In dieser Zeit wurde ihr Interesse am Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie und gleichzeitig auch am Thema Vereinbarkeit von Theorie und Praxis geweckt. Sie plädiert heute für ein fortschrittliches Management-Verständnis, das auch die ausserberuflichen Erfahrungen ihrer MitarbeiterInnen in das Arbeitsleben einbindet, und beschreibt am Fallbeispiel der AXA Winterthur, wie dadurch auch neue Dienstleistungsangebote der Firma entstehen können.

Beruf und Familie

Das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschäftigte Sybille Sachs zunehmend auch in der Forschung. Dabei beobachtet sie in immer mehr Organisationen einen Wertewandel. Dennoch, auch heute noch hätten viele Männer Angst vor einem Karriere-Knick, wenn sie sich zur Teilzeitarbeit entscheiden würden. Umgekehrt hätten viele Frauen kleine Teilzeit-Pensen, die leider keine wirklich anspruchsvollen Tätigkeiten zuliessen. Zudem müssten die HR-Abteilungen lernen, dass auch ausserberufliche Qualifikationen wertvolle Kompetenzen ergeben, die für das Unternehmen sehr wichtig sein können – wenn sie dann auch genutzt werden.

So wurde Sybille Sachs dann später auch zur Promotorin der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Kanton Zürich. Auch in der eigenen Anstellung spiegelte sich diese Haltung. Sybille Sachs hatte zum Beispiel an der Universität Zürich die erste Professur im Job-Sharing Verfahren inne. Auch in dem von ihr heute geleiteten Institut werden solche Werthaltungen gepflegt und umgesetzt. Zudem gebe es heute an der HWZ viele Teilzeitstellen.

Umfassendere Sicht

Das andere Thema, das sie immer mehr beschäftigte, ist die zunehmende Sinnentleerung und Profitorientierung in der Wirtschaft. Anfangs der 90-er Jahre sei der Shareholder-Value in den Unternehmungen immer wichtiger und für sie zu einer Herausforderung geworden. Eine ihr nahestehende Professorin führte sie zum Dissertationsthema der Rolle der Unternehmungen in der Gesellschaft. Sie untersuchte dabei, welche Rückwirkungen ein Rollenwandel auf die Unternehmen hätte. Sehr inspiriert hätten sie später auch die Begegnungen mit Ed Freemann, einem sehr bekannten amerikanischen Professor, und  mit andern Vordenkern dieser Zeit.

Dies führte dazu, dass sie das heutige „Institut für Strategisches Management: Stakeholder View“ an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) aufbaute. Für Menschen, die den Begriff Stakeholder View nicht kennen: Gemeint ist damit die  unterschiedliche Sicht der verschiedenen  Bezugsgruppen in  einer Unternehmung, also eben nicht nur die Perspektive der Aktionäre (Shareholder) sondern auch diejenige der  MitarbeiterInnen, der Kunden, der Lieferanten, der unmittelbare Nachbarschaft, d.h. des Gemeinwesens, in das die Unternehmung eingebettet ist. Ferner gehören dazu auch die Non-Profit-Organisationen und die Medien als  Vertreterinnen der Öffentlichkeit. So ergibt sich eine ganzheitliche Sicht der unternehmerischen Probleme.

Das Institut, welches Sybille Sachs leitet, basiert komplett auf dem Ansatz des humanistischen Managements: Erstens sollen die Menschen im Unternehmen und in deren  Umfeld stets als Zweck und nicht als Mittel betrachtet werden. Aus dieser Sicht befremdet sie beispielsweise Begriffe wie Human Ressourcen und Humankapital. Zweitens müsse der Beitrag zum Gemeinwohl der Gesellschaft die Grundausrichtung jedes Unternehmens sein. Und drittens müssen Unternehmungen als Netzwerk von Beziehungen von Menschen intern und extern wahrgenommen werden und nicht nur als hierarchisches Gebilde.

Einzigartigkeit im Zentrum

Die Einzigartigkeit aller Menschen im Sinne von Erich Fromm’s „Oneness“ und eben nicht „Sameness“ soll im Zentrum stehen. Das Bewusstsein für diese Einzigartigkeit soll in der Wirtschaft geweckt werden, mehr Wertschätzung erfahren und Eingang in die Organisationskulturen finden.

In der Zusammenarbeit mit Unternehmungen versuche sie immer zuerst die verschiedenen Werthaltungen der wichtigsten Bezugsgruppen zu erfassen und zu erörtern. Dazu nehme sie die  Bedürfnisse und Ansichten der Menschen im Unternehmen, aber auch in deren Stakeholdergruppen auf. Dabei betont sie, dass der Respekt für die verschiedenen Wertehaltungen zentral sei. In sogenannten Multi-Stakeholder Workshops versuche sie dann immer zuerst die Gemeinsamkeiten in den einzelnen Werthaltungen herauszuschälen und erst danach die Verschiedenheiten zu erörtern. Im Zentrum stehe dabei immer  die Frage „Wie verstehen wir das Problem?“ und dann als nächstes „Wie können wir dieses Problem gemeinsam angehen?“. Dazu gehöre es auch, die Grenzen für  sogenannte „geschützte“ Werthaltungen, also nicht verhandelbare Wertehaltungen der Beteiligten klarzulegen. 

Anfangs wurde sie mit Ihrem Ansatz immer wieder belächelt und nicht ganz ernst genommen, doch habe sich dies vor allem auch seit den Enron- und Swissair-Fällen im Jahr 2003 sehr verändert. Heute spüre sie in den Firmen eher eine Sehnsucht nach Gemeinsamkeit und Langfristigkeit. Leider seien aber immer noch viele Wirtschaftskapitäne mit den alten Management-Theorien sozialisiert worden. Ein Umdenken benötige daher naturgemäss viel Zeit.

Was beispielsweise der frühe Einbezug verschiedener Stakeholder in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen bewirken könne erlebe sie immer wieder von neuem. Der Entwicklungsprozess sei zwar langwieriger, die Resultate aber  nachhaltiger und letztendlich eben auch gewinnbringender für alle Seiten.

So ging ein für mich wirklich sehr spannendes Interview zu Ende. Man spürt in jedem Satz von Sybille Sachs, dass sie ihre Werte wirklich lebt und sich für Ihre Anliegen engagiert einsetzt. Persönlich hoffe ich sehr, dass genau diese Werthaltungen, für die sich meine Gesprächspartnerin so einsetzt, in der Wirtschaft immer wichtiger werden, und bin überzeugt, dass sie dabei noch viel bewirken wird.

 

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