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Von Thailand und anderen Abenteuern

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32. Woche

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 Samstag 23. Juni 2012

König Fussball regiert die Welt – so auch hier in Thailand. Gleich drei Anlässe gaben den Grund den Teil 2 von „Unbekanntes Thailand“ auf nächste Woche zu verschieben und uns diese Woche auf den Fussball zu konzentrieren. Dazu müssen wir erst mal die Beschaffenheit der thailändischen Fussball-Seele näher betrachten.

Es gibt wohl kaum ein Land, wo so viele Menschen mit Fussball-T-Shirts bekleidet sind. Sieht man eine Gruppe von Thailändern, so trägt immer mindestens eine Person ein Fussball-Shirt eines Teams aus England, Spanien oder Italien. Teils sieht man auch deutsche Shirts und in selteneren Fällen Shirts von thailändischen Klubs. Auch Frauen tragen diese Fussball-Shirts und selbst die Kleinsten haben schon solche Shirts. Dies drückt die Begeisterung der Thais für diese Sportart treffend aus.

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In Thailand wird der Fussball schon von klein auf gelebt

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Zwei Schüler-Teams in Aktion

Jeder Match aus der englischen Premiere League wird live im thailändischen Free-TV übertragen und das Resultat ist am nächsten Tag eines der Haupt-Themen. Neben den drei Free-TV Kanälen, die regelmässig auch Matches aus anderen europäischen und südamerikanischen Ligen übertragen, gibt es ungefähr 5 thailändische Pay-TV Kanäle, die sich nur auf Fussball spezialisiert haben. „Pay“ ist allerdings irreführend, denn die meisten haben irgendeinen Crack-Zugang auf diese Kanäle.

Schaut man sich dann einen Match mit den Thais an, so staunt man über deren Fachkenntnisse. Bei jedem Spieler wissen sie genau, bei welcher Mannschaft dieser vorher gespielt hat und wie viele Tore er schon geschossen hat. Die aktuelle Position jeder Mannschaft in der Tabelle ist nicht nur bei der englischen Premiere League fast jedem bekannt.

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Eine Szene aus dem weiter unten beschriebenen Turnier – hier die LangKo Young Boys in Aktion

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… und kurz vor dem siegbringenden Tor.

Ein weiteres leider negatives Faktum ist das Wettverhalten der Thais. Obwohl Wetten auf Sportveranstaltungen offiziell verboten sind, wurden nach einer Studie einer Thai-Bank an der WM 2006 in Thailand beispielsweise 37,5 Milliarden Baht (1.1 Milliarde CHF) verwettet. Rechnet man das pro Kopf um ergibt dies 15 CHF pro Einwohner und dies ist in Thailand sehr viel Geld. Gemäss dieser Studie haben die Thailänder an dieser WM 150 Millionen CHF verloren. In einigen Regionen soll im jeweils Anschluss an Welt- und Europameisterschaften die Kriminalitätsrate aufgrund der Wettschulden stark ansteigen. Glücklicherweise betrifft dies nicht unsere Insel.

Fussball hier hat aber glücklicherweise nicht nur eine Konsum-Seite, denn fast jeder männliche Thai spielt hier selber aktiv Fussball. Und auch wenn sie fast nichts besitzen, professionelle Fussballschuhe gehören hier einfach dazu. Praktisch jeden Abend wird in unserem Dorf Fussball gespielt und nun schon einige Male habe ich selber mitgespielt. Dank Lo, der mich jeweils mit seinem Motorbike mitnimmt, komme ich immer wieder in den Genuss eines Erlebnisses der ersten Güteklasse.

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Thailand ohne Fussball? Unddenkbar!

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Die LangKo Old Boys und Koh Jum vor dem Match

Man trifft sich normalerweise im Dorfcafé oder wie man das immer nennen mag. Dies besteht aus einem Palmblätter-Dach auf 4 Stelzen, bietet rund 20 Sitzplätze und dient je nach Tageszeit unterschiedlichen Nutzungen. Am Morgen kommen dort alle, die auf den Gummiplantagen am morgen früh die Bäume „anritzen“ (damit diese aus der Rinde den Gummi freigeben) zum Morgenessen. Anschliessend wird umfunktioniert zu einem Dorfladen, bei dem sich die Frauen gleichzeitig zum Einkauf und Morgenessen treffen. Tagsüber werden Getränke verkauft und am Nachmittag dient der Ort erst als Treffpunkt für alle Volleyball-SpielerInnen (die ebenfalls täglich spielen) und danach als Treffpunkt für alle Fussball-Spieler und am Abend ist der Ort für das Nachtessen der erweiterten Familie reserviert.

Man trifft sich dort also, redet über das aktuelle Tagesgeschehen (da kann man nicht über Gott und die Welt schreiben, denn weder das eine noch das andere ist wirklich Thema) und wartet bis genügend Spieler sich gefunden haben. Immer wieder kommen auch mal andere nicht-fussballspielende Personen vorbei und halten einen Schwatz. Da ich in der Zwischenzeit schon fast etwas dazu gehöre, lassen sich die Leute auch nicht ablenken vom Farang, sondern pflegen Ihre alltägliche Kultur, was wunderschöne Einblicke in die thailändische Seele ermöglicht.

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Eine typisches Dorfcafé

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Rast im Schatten

Durch die Schule verstehe ich nun bereits auch ein paar Wörter und ein von mir eingebrachtes thailändisches Wort erhellt alle Gesichter und löst automatisch auch die Korrekturhilfe meiner noch unbeholfenen Betonung aus, was wiederum mit Gelächter quittiert wird. Denn oft ist das, was ich mit meiner Betonung sage, wohl etwas ganz anderes als ich gemeint habe (das Wort „ma“ hat beispielsweise je nach Betonung 5 unterschiedliche Bedeutungen).

Sind mindestens 10 Spieler beisammen wird auf das Fussballfeld 200 Meter neben dem Dorfcafé gewechselt. Dort wärmen sich alle erst mit Übungen und Pass-zu-Pass-Spielen auf und dann wird bis zum Sonnenuntergang gespielt (selbst wenn es regnet). Manchmal spielen bis 25 Spieler mit und einige wenige davon sind auch in meinem Alter. Im Schnitt aber bin ich natürlich 25 Jahre älter als die jungen und schnellen Spieler. Doch hier wird nicht so verbissen Fussball gespielt, wie ich das im Senioren-Team des FC Speicher erlebt habe. Im Vordergrund steht der Spass, Fouls sind selten und wenn, dann nicht beabsichtigt und ein Fehler meinerseits (von denen es bis zum Eigentor schon mehrere gab) wird mit einem Lachen genommen. Wahrlich eine Freude, Fussball zu spielen, einzig die Hitze kann mir manchmal echt zu schaffen geben, denn das Spielfeld ist von dichten Palmöl-Palmen, die keinerlei Wind durchlassen, umrandet.

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Der Mann von Ann (links in rot) und der Mann von Tiu (ganz rechts) beim Aufwärmen

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Die LangKo Young Boys vor dem Einsatz

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Leider nur den Pfosten getroffen

Diese Woche fand dann der „SiBoya-Cup“ statt, ein Insel-Turnier, das jedes Jahr durchgeführt wird. Hier spielen die Mannschaften der 7 Dörfer des Distrikts SiBoya gegeneinander. Die 7 Dörfer verteilen sich auf drei Inseln und so ging es mit der speziell dafür gecharterten Fähre auf die Nachbarinsel Koh Jum ins Ort Koh Pu. Eingeladen zum Mitkommen hat mich Lo, aber auch Thuam spielt an diesem Turnier mit, allerdings für das Dorf Khlong Tok im Norden SiBoya’s, aus dem er stammt.

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Koh Pu bei Ebbe

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Heute wird nicht gefischt

Wie ich dann feststellte, ist Lo im Turnier der Trainer der beiden Mannschaften aus „unserem“ Dorf. Der Name des Dorfes ist LangKoh, was übersetzt „hinter der Insel“ bedeutet und es erstreckt sich über ca. 6 km im Westen der Insel. Insgesamt werden wohl rund 400 Leute zu dem Dorf gerechnet. Sozusagen vor der Insel liegt dann Baan SiBoya, das Hauptort der Insel, das wohl auch etwa 400 Einwohner zählt und ebenfalls ein Fussball-Team stellt.

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Ein Teil des FanClubs von LangKo

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Lo bei der Einsatzbesprechung

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Die Mannschaftsaufstellung der LangKo Young Boys

Im Süden der Insel versammelten sich dann mehr und immer mehr Leute, um auf die Fähre zu warten. Mit dieser Fähre ging gleichzeitig ein grosser „Fanklub“ mit nach Koh Pu. Monika, die statt Fussball-Turnier lieber mit unserer Tiu ins Dorf einkaufen ging, sagte dass das Dorf leergefegt gewesen sei. Gleich einem triumphalen Einzug ins Dorf bewegte sich dann die grosse Schar zum 2km entfernten Fussballfeld. Gleichzeitig kehrte die Schülermannschaft des Dorfes vom Turnierplatz zurück und nutze die Fähre zurück.

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Die Schülermannschaften aus Koh Pu und Koh Jum im Duell

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… und der dazu gehörende FanClub

Das Turnier dauert mehrere Tage. An diesem für LangKo ersten Spieltag spielten sämtliche 3 Fussball-Mannschaften Schüler, Young Boys und Old Boys (ab 35 Jahren) gegen die jeweiligen Mannschaften aus Baan Koh Jum, das Dorf im südlichen Teil der Nachbarinsel, das wir im letzten April besucht hatten. Gleichzeitig spielen im „Rahmenprogramm“ Volleyball-Teams der beiden Dörfer gegeneinander und auch Takraw-Spiele finden vereinzelt statt.

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Beim Takraw

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Im vollen Einsatz

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Ein Teil des Volley-Ball Teams

Im Turnier gibt es eine Vierer-Gruppe und eine Dreier-Gruppe. „Unser“ Dorf spielt in der Dreiergruppe und hat zum zweiten Gegner am Sonntag oder Montag (so genau weiss dies hier noch keiner) das Dorf in der Mitte Koh Jum’s, dessen Name mir entfallen ist. Thuam’s Mannschaft spielte am Vortag und muss dreimal antreten. Die Gruppensieger spielen dann an einem weiteren Tag im Final gegeneinander und die Gruppenzweiten im kleinen Final. Der Sieger des ganzen Turniers darf dann im Regional-Turnier in Nua Klong mitspielen, was enorm Prestige mit sich bringt und anscheinend schon einigen jungen Spielern neue Chancen ermöglicht haben, da dort Scouts nach Talenten Ausschau halten.

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LangKo Young Boys

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LangKo Old Boys

Als einziger Ausländer fiel ich hier natürlich ziemlich auf und wurde sogar vom Platzspeaker mehrfach lachend erwähnt. Er sorgte sich sogar darum, dass ich keine Wasserflasche dabei hatte. Da ich ja ein Freund das Trainers war, wurde ich selbstverständlicher Weise auf die Trainer-Bank, bzw. den Trainer-Rasenabschnitt eingeladen. So wurde ich schon fast etwas zum Maskottchen.

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Der Platzspeaker…

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… und seine Verstärkung

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Die „Trainerbank“

Da ich gleichzeitig auch die beste Kamera aller hatte, wurde ich gleich zum Mannschaftsfotografen befördert und hatte dadurch die Möglichkeit, ohne Scham überall zu fotografieren, was all diese schönen Bilder ermöglichte.

Gespielt wird im Turnier auf drei unterschiedlich grossen Plätzen. Der Schülerplatz befindet sich fast an der Strasse, während dem das Hauptfeld inmitten der Schulanlage ist und bei den OldBoys etwas kleiner gemacht wird, da da nur 7 Spieler mitspielen. Gespielt wird bei den YoungBoys nach den internationalen Regeln, 2 mal 45 Minuten, 15 Minuten Pause inkl. aller AbseitsRegeln und gelben und roten Karten, die akribisch genau von den Schiedsrichtern notiert werden. Sogar für die Auswechslungen muss ein Blatt ausgefüllt werden und dem Schiedsrichter-Assistenten vor der Einwechslung übergeben werden. Die gleichen Regeln gelten bei den OldBoys, nur da dauerte das Spiel 2 mal 25 Minuten.

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Der Grund der gelben Karte

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Freistoss – Achtung-fertig-los

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Einwechslung mit Anzeigetafel

Selbst einen „Teamarzt“ war im Betreuungsstab von LangKo. Er selber ist zwar nicht ausgebildeter Mediziner, dafür ist aber seine Frau Ärztin und er habe dadurch viel lernen können. Interessant war vor allem, dass er perfekt Englisch sprach und so weitere Einsichten in das Turnier ermöglichte.

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Zurück von seinem Einsatz auf dem Feld: Der „Teamarzt“

Zum Glück brachte ich als Maskottchen auch wirklich Glück und sowohl das YoungBoys – Team wie das Old-Boys Team aus LangKo gewannen 1:0 und haben damit gute Chancen, wiederum wie die letzten 2 Jahre in den Final zu kommen.

Die Rückkehr war dann schon ein eigenes Erlebnis. Über die ganze Strecke ausgedehnt befand sich das Dorf auf dem Heimweg, alle lachend und scherzend und immer wieder mal ein Schwätzchen am Wegesrande, denn viele in diesem Dorf sind irgendwie verwandt mit Leuten aus unserem Dorf. Manchmal werde nach einem Turniertag da auch gleich beim Onkel oder der Tante übernachtet.

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Auf dem Rückweg am langen Pier von Koh Pu

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Die siegreiche Mannschaft und ihr Trainer

Am Ende des Weges füllte sich dann die Fähre und füllte sich und ich hatte schon fast das Gefühl, man könne da nicht mehr auffüllen – noch einer und noch ein weiterer passte da aber schon noch rein. Die Heimfahrt war voller guter Stimmung, alle Dorfbewohner freuten sich über ihre beiden erfolgreichen Teams.

Das Wetter, das nun bald wieder 2 Wochen jeden Tag schön und erstaunlicherweise absolut ohne Regen brilliert, bildete die passende Kulisse.

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Es wurde noch voller…

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Auf dem Heinweg in SiBoya angekommen

Insgesamt ein schöner Anlass, der unsere Integration hier im Dorf fördert, bei mir über den Fussball, bei Monika übers Einkaufen im Dorf. Langsam kennen wir hier schon viele Menschen und jedes Mal, wenn wir mit der Fähre übersetzen ist sicherlich jemand an Bord, den wir schon kennen.

Nun aber zum dritten und aktuellen Anlass, der Europa-Meisterschaft. Die findet natürlich auch hier intensiv statt, auch wenn die Spiele morgens um 01.45 Uhr starten. Trotzdem versammeln sich jeden Spieltag einige Leute vorne im Restaurant, unter anderem auch wir Farangs (Lou, unsere deutsche Nachbarin und ich). Allerdings sind wir nicht so abgehärtet wie die Thais, die schlichtweg einfach jedes Spiel schauen. Wir haben uns in der Vorrunde nur auf drei, vier Abende fokussiert, denn irgendwie gehen diese Nachtschichten schon ganz schön an die Substanz. Auch wenn man vorher noch etwas schläft, so ist es doch die ziemlich ungünstigste Zeit für einen Match.

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Vom Schattenplatz aus das Spiel verfolgend

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Vor dem ersten Spiel nach einer unendlich langen Ansprache zum Thema Fairness

Nun denn, von schlaftrunkener Stimmung ist jeweils nichts zu spüren, denn alle fiebern mit. Und so kommt auch ein Teil der Fanstimmung aus Europa zu uns nach Thailand.

Was allerdings hier etwas zu denken gibt, ist eine Bestimmung der UEFA. Der Rechteinhaber für Thailand wurde kurz vor der EM verpflichtet, die Spiele nur über Antennenfernsehen und über eigene Satellitennetzwerke auszustrahlen. Der Grund: Fußballfans in den Nachbarländern könnten über Satelliten und Kabel gezeigte Matches empfangen. Bedenkt man, dass die Nachbarländer wie Myanamar, Laos und Kambodscha mausarm sind und sich sicherlich keinen speziellen TV-Empfänger leisten können, so finde ich persönlich die Bestimmung skandalös. Mag man denn den armen, fussballbegeisterten Menschen in diesen Ländern nicht mal dieses Stück Lebensfreude gönnen?

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Die Old Boys in Action

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Der Torhüter (in rot) der Old Boys ist der Mann von unserer Ann und gleich links daneben der Mann von unserer Tiu

Und auch in Thailand können dadurch viele die EM nicht sehen. In den letzten 2 Wochen übernachteten wir ja aufgrund unserer Reise, deren Beschrieb wir im nächsten Blog fortsetzen und unseren montaglichen Übernachtungen in Krabi 4mal in verschiedenen Hotels. Nur in einem der 4 Hotels konnte die Fussball-EM geschaut werden, in den anderen informierte ein stehender Bildschirm mit dem Euro2012-Logo in Thai über die rechtlichen Gründe der Nicht-Ausstrahlung.

Chung hat sich zum Glück diesen Empfänger gekauft und so konnten wir gestern das wunderschöne Spiel der Deutschen bestaunen und freuen uns heute auf Spanien – Frankreich.

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Freundschaftliches Händeschütteln zu Beginn

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Der Blick aus dem „Restaurant“ aufs Volley-Ball Feld

Soweit zum aus Aktualitätsgründen ungeplanten Einschub dieses Themas. Mehr zur Fortsetzung unserer Reise von Nakhon Si Tammarat nach Phattalung lest Ihr dann im nächsten Blog.

Bis dann wünschen wir Euch schöne Sommertage sowie gute Fussballfeste für die Begeisterten und ruhige Zonen für die weniger Begeisterten.

Zum Abschluss noch ein paar weitere Impressionen des SiBoya-Cups.

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