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Die fraktale Schweiz

fraktalch

Schweizer Mythen einmal anders

Von Wunsch-Feen und Schweizer Mythen handelt dieser Text vom 8. Mai 1999:

Millennium:

Die fraktale Schweiz

Von Andreas Giger

Zugegeben. Mein Gehirn war von etlichen Schwaden aus dem Rauch von unserem guten Kraut ziemlich beschwingt, als ich auf einer dieser wunderbaren Hügelkuppen zwischen Bodensee und Säntis sass, von denen aus die Blicke weit hinein in die Schweiz schweifen und ebenso weit aus ihr hinaus, und darüber nachdachte, dass die leidige Frage der Prohibition von Cannabis Helvetica nun endlich reelle Chancen hatte, mehr oder weniger vernünftig gelöst zu werden, was der Schweiz allerdings noch immer einen enormen Vernunftvorsprung gegenüber dem benachbarten Ausland verschaffen würde, was wiederum natürlich für dieses Land sprach und für sein Regierungssystem, das bei der Suche nach Lösungen den vernünftigsten kleinsten gemeinsamen Nenner favorisiert: die Vernunft.

So sass ich sinnierend und blickte in die Ferne, als plötzlich neben mir eine Stimme sagte: >Grüezi. Ich bin die berühmte Fee mit den Wünschen !<

Eigentlich hätte ich mich mächtig erschrecken müssen, doch die Stimme klang so hold, dass dazu keine Notwendigkeit bestand, und so sah ich mich um, um nach ihrem Ursprung zu forschen. Was mein schweifendes Auge da erblickte, hatte wenig mit meinen Vorstellungen einer ätherisch-elegischen Fee zu tun. Stattdessen sass eine ziemlich dralle Weibsperson neben mir, die mich an irgend jemand erinnerte, nicht an einen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern eher an einen Mythos. Und als sie sich mir jetzt zuwandte und ich das weisse Kreuz im roten Feld auf ihrem Mieder sehen konnte, war alles klar: Neben mir sass Helvetia höchstselbst. Was ich ihr auf den Kopf zusagte.

>Nun ja<, sagte sie leicht errötend, >ich bin es wirklich, so fern das in meinem Fall irgend etwas zu sagen hat. Und weil ich nicht wissen konnte, wie Du auf einen alten Schweizer Mythos reagierst, habe ich eine Rolle gewählt, auf die alle abfahren, eben die der Wunschfee.<

>Dann habe ich also keine drei Wünsche frei<, sagte ich leicht resigniert, nachdem in meinem Gehirn bereits das Programm „Warnung vor falschen Wünschen an die Wunschfee !“ in rasendem Tempo angelaufen war.

>Doch !<, sprach sie mit sichtlicher Befriedigung, >allerdings keinen für Dich, sondern nur einen für die Schweiz. Und als extra Herausforderung auch nur einen einzigen, jedenfalls vorläufig.<

Aus dem Nachsatz schloss ich, dass es sich um eine Art Prüfung handeln könnte: Wenn mein einziger Wunsch sinnvoll und vernünftig ausfallen würde, könnte dies den Weg zu weiteren frei machen. Und weil dieses Land an der Erfüllung von mehr als einem Wunsch nicht leiden würde, wollte ich mir besondere Mühe bei meinem einzigen Wunsch für die Schweiz geben.

Ich bat um einige Minuten Bedenkzeit und liess die Synapsen klapsen. Nach einem Weilchen tauchte ich aus meiner Versenkung auf und sagte: >Ich hab’s !: fraktale Geometrie.<

Nun war es an Helvetia, etwas erstaunt in die Welt zu gucken. >Verzeih<, sagte sie höflich, >aber ich kann Dir nicht ganz folgen.<

>Kein Wunder, ich habe ja meinen Wunsch für die Schweiz noch nicht einmal in einem anständigen ganzen Satz formuliert. Ich hole das hiermit nach: Ich wünsche mir, dass in allen Bildungseinrichtungen der Schweiz eine Einführung in die fraktale Geometrie gelehrt wird.<

Helvetia wirkte verwirrt: >Ich erfülle Dir natürlich gerne jeden Wunsch, aber dazu muss ich ihn verstehen. Du willst also mehr Geometrie, also mehr Mathe-Unterricht. Dabei habe ich doch gerade neulich einem Schweizer Magazin gelesen, Mathematik an der Schule sei so überflüssig wie ein Kropf, weil niemand etwas davon behalte oder später gar brauche. Was ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen kann.<

Ich pflichtete ihr bei. Für die geplante Einführung in fraktale Geometrie könne man die Zeit ohne weiteres beim klassischen Mathe-Unterricht abknapsen, und es ginge dabei nicht um Zahlen, sondern um Bilder und Modelle von Wirklichkeit, also eher um Philosophie als um Mathematik.

>Und wozu soll das gut sein ?<, fragte Helvetia nun ganz unverblümt.

Ich sagte ihr, ich hielte das für eine so gute Frage, dass sie eine etwas ausführlichere Antwort verdiene. Sie meinte, sie hätte Zeit, und so begann ich: >Als ich nach einer Möglichkeit suchte, die Schweiz voran zu bringen, war mir schnell klar, dass es den einen Hebel, mit dem man die Welt aus den Angeln heben kann, nicht gibt – schon Archimedes hatte vergeblich danach gesucht. Mechanische Lösungen für mein Problem gab es keine, aber die Biologie hatte ein Modell bereit.

Es müsste doch möglich sein, so habe ich mir gedacht, eine Art geistigen Virus in die Schweizer Welt zu setzen, der bei den Infizierten eine sanfte positive Mutation auslöst. Und wenn die Zahl der Angesteckten eine kritische Masse erreicht hätten, würde sich diese positive Mutation auf das ganze Land und seine Zukunft auswirken. Es galt also nur noch, das geeignete Trägermedium zu finden, also den geistigen Virus. Und der ist eben die fraktale Geometrie.<

>Was ist das ?<, fragte Helvetia, nun merklich neugieriger geworden. >Das gab es zu meiner Zeit noch nicht, ich kenne nur die euklidische Geometrie.<

>Und die<, entgegnete ich, >ist mit ihren regelmässigen Formen wunderbar geeignet für staubige Gelehrtenstuben, doch für die Beschreibung von natürlichen Formen taugt sie wenig: Wolken sind nun mal keine Kugeln, Berge sind keine Kegel und Blitze keine Geraden. Bei der fraktalen Geometrie aber geht es genau um das Verstehen solcher Formen.<

Helvetia schaute über das Land ringsum, nickte bedächtig und sprach: >Tatsächlich, in der ganzen Landschaft hier gibt es keine einzige gerade Linie. Und Du meinst also, wenn man sich mit fraktaler Geometrie beschäftigt, lernt man, die natürlichen Formen zu schätzen, statt der Wirklichkeit künstliche Muster überstülpen zu wollen ? Das entspräche ja dann ganz einer gut schweizerischen Eigenschaft, die zu fördern sich wirklich lohnte.<

>In der Tat. Wobei das mit dem Schätzen tiefer geht. Man kann nämlich heutzutage fraktale Formen auf dem Bildschirm von Computern gleichsam simulieren, sie auch in ihren Entwicklungen und Bewegungsabläufen zeigen. Details erspare ich Dir, aber diese künstlichen Computerbilder haben eine eigenartige natürliche Schönheit, so dass der Sinn für die Schönheit der natürlichen – und damit gebrochenen (nichts anderes meint „fraktal“) – Formen über den Umweg der Computersimulation geschärft wird.<

Helvetia wirkte nachdenklich: >Fraktal heisst also gebrochen. Dann passt das ja nicht nur zu den meisten Landschaften der Schweiz, sondern auch zum Land als solchem, zu seiner Gesellschaft und Kultur. Die Schweiz ist alles andere als eine kreisrunde Sache, vielmehr vielfach zerklüftet und gebrochen wie ein alter Gletscher. Da ist nichts von der luftigen Schönheit regelmässiger geometrischer Ordnungen, das wirkt auf mich alles vielmehr ziemlich chaotisch.<

>Ja, und die fraktale Geometrie ist eng mit der Chaos-Theorie verwandt. Aus der wiederum haben wir gelernt, dass Chaos keinesfalls per se schlecht ist, sondern oft einfach eine andere Art von Ordnung, deren Sinn und Schönheit sich uns erschliessen, wenn wir genauer hin gucken.<

>Dann wäre die Beschäftigung mit fraktaler Geometrie für die Menschen in diesem Lande also eine Möglichkeit, Sinn und Schönheit ihres Landes, ihrer Landschaften und ihrer menschlichen Gemeinschaft, besser kennen und schätzen zu lernen, nicht nur murrend zu akzeptieren, dass die Schweiz ein fraktales Land ist, sondern darauf als Basis der eigenen Identität stolz zu sein ?<

>Jetzt, wo Du es sagst… <, gab ich ebenso nachdenklich zurück. >Daran hatte ich, um ehrlich zu sein, noch gar nicht gedacht. Die fraktale Schweiz als Objekt des Staunens und der Verehrung. Abkehr von allen fundamentalistischen Vorstellungen, die Schweiz müsse so sein und nicht anders. Stattdessen die chaotischen Brüche lieben lernen. Das nenne ich, aus der Not eine Tugend zu machen…<

Nun wurde Helvetia endgültig hellwach: >Wenn es nicht das war, woran Du gedacht hast, was war es dann ?<

>Eine bestimmte Eigenschaft von fraktalen Mustern und Formen<, antwortete ich, >nämlich ihre Selbstähnlichkeit. Das heisst, fraktale Formen sehen sich oft sehr ähnlich, sind aber nie genau gleich.<

>Aha<, meinte Helvetia daraufhin, >das erinnert mich schon wieder sehr an die Schweiz und ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Die geniessen ein unschätzbares Privileg: Sie sind sich ähnlich genug, um sich überhaupt verstehen zu können, und sind doch so unterschiedlich, dass der Austausch spannend bleibt, denn, wie sagt der Volksmund: Wir werden eins durch Verschiedenartigkeit.<

>Wohl gesprochen. Und jetzt kommt noch etwas hinzu: Fraktale Formen sind selbstähnlich, egal, in welcher Grössendimension man sie betrachtet.< Auf die Bitte hin, das genauer zu erklären, fuhr ich fort: >Das Phänomen gibt es überall in der Natur. Wenn man etwa das Teilblatt eines Farnblattes betrachtet, ist es dem ganzen Blatt selbstähnlich, und das gilt auch wieder für die feineren Verästelungen des Teilblattes. Oder eine Küstenlinie: Egal, ob man sie aus zehn Kilometern Höhe oder aus normaler Blickhöhe betrachtet, ihre Formen sind immer selbstähnlich. Dasselbe Phänomen kann man auch bei den Computersimulationen sehen: Selbstähnliche Formen tauchen auf, egal, ob man um einen Millionenfaktor vergrössert oder verkleinert.<

Helvetia entgegnete trocken: >Wie im Grossen, so im Kleinen. Verzeih, aber das ist doch ein ziemlich alter Hut.<

>Schon<, gab ich zurück, >aber ob man eine solche Weisheit als abstrakte Theorie hört oder ihre Wahrheit mit eigenen Augen sieht, macht einen Unterschied, der nicht zu verachten ist. Und wenn die Schweiz diese Wahrheit wirklich kapiert hat, dann ist sie einen schönen Schritt weiter. Deshalb plädiere ich für die sinnliche Einführung in die fraktale Geometrie samt ihrer Lobpreisung des Mikrokosmos.<

>Jetzt warst Du ein bisschen zu schnell<, stoppte mich Helvetia. >Wozu braucht die Schweiz die Lobpreisung des Mikrokosmos ?<

>Ganz einfach: Um das nächste Jahrtausend als selbstbewusstes Land zu erleben.<

>Du meinst also, die Schweiz leide an mangelndem Selbstbewusstsein wegen eines gebrochenen Verhältnisses zur Idee des Mikrokosmos ?<

>In der Tat. Oder, um es platter zu sagen: Die Schweiz hat den üblichen Minderwertigkeitskomplex der Kleinen. Das führt dann entweder zu aufgeblasenem Grössenwahn nach dem Motto „Was kümmert uns die grosse Welt ? Wir sind ohnehin die Grössten und fahren deshalb am besten allein !“ oder aber zu jener übertriebenen Kleinmacherei, die zum Beispiel viele Deutschschweizer daran hindert, sich auf Diskussionen mit Deutschen einzulassen, weil sie fürchten, mit deren Gedanken- und Formulierungsschnelle nicht mithalten zu können und glatt überfahren zu werden. Das führt zu einem ständigen Zwang, die eigene Kleinheit defensiv verteidigen zu müssen, statt ihre Vorzüge offensiv zu preisen.<

Helvetia bat mich um ein Beispiel, und so fuhr ich fort: >Wenn sich Deutsche etwa danach erkundigen, wie denn dieses oder jenes in der Schweiz geregelt sei, um dann gleich selber die spöttische Antwort zu liefern „das ist von Kanton zu Kanton verschieden !“, dann entsteht sofort ein Druck, diese auf den ersten Blick ja vielleicht wirklich leicht absurde Tatsache rechtfertigen zu müssen.<

>Und das wäre gar nicht nötig ?<

>Das weißt Du doch selber. Mit unserem föderalistischen System produzieren wir fraktale, also selbstähnliche Muster. Die verschiedenen kantonalen Lösungen unterscheiden sich ja kaum fundamental, sondern nur in den Details. Das ist ein bewährtes Prinzip der Evolution: Man geht vom selben Grundmuster aus und erprobt verschieden sanfte Mutationen, von denen sich im Laufe der Zeit die besten durchsetzen werden.<

>Gut, aber was hat das mit der Kleinheit zu tun ?<, hakte Helvetia nach.

>Ganz einfach<, gab ich zurück, >kleine Einheiten sind flexibler und damit offener für sanfte Mutationen.<

Helvetia sinnierte ein Weilchen vor sich und schien dann zu einem Schluss zu kommen: >Der Mikrokosmos als Ideen-Versuchslabor der kulturellen Evolution – das könnte funktionieren. Und wenn denn jetzt Deine fraktale Geometrie tatsächlich die alte Weisheit bestätigt, wonach die Dinge im Kleinen ganz ähnlich funktionieren wie im Grossen, dann wären die im Mikrokosmos gefundenen Lösungen ja durchaus exportfähig. Welche Idee zur Organisation des menschlichen Zusammenlebens, die direkt mit der Kleinheit der Schweiz zu tun hat, hat sich denn nach Deiner Meinung so sehr bewährt, dass andere davon etwas lernen könnten ?<

>Die Idee der Selbstorganisation<, antwortete ich prompt, und als Helvetia fragend die Augenbrauen hob, hub ich zu einer Erklärung an, was ich damit meinte: >In Deiner Sprache heisst das wohl einfach die Gemeindeautonomie. Oder eben unsere ausgeprägt föderalistische Struktur, die einem einzelnen Kanton ja wesentlich mehr autonome Entscheidungsspielräume offen lässt als sie etwa ein unvergleichlich grösseres deutsches Bundesland geniesst.<

>Und was soll daran gut sein ?<

>Lass mich den Gedankengang kurz erläutern. Wir reden hier von Zukunft, von evolutionären Entwicklungsprozessen. Wenn wir diese nicht nur passiv erleiden, sondern aktiv mitgestalten wollen, müssen wir sie verstehen: Eine Gesellschaft ist umso besser für die Zukunft gerüstet, je lernfähiger sie ist. Wir waren uns nun darüber einig, dass der Mikrokosmos optimale Voraussetzungen dafür bietet, zu lernen, wie menschliches Zusammenleben – politisch, wirtschaftlich, kulturell und sozial – funktioniert. Der Mikrokosmos ist leichter zu durchschauen und zu verstehen als grosse soziale Gebilde, und zwar ganz einfach darum, weil er etwas bietet, was jene nicht haben: menschliches Mass.

Lernen tun wir sicher auch, wenn wir etwas nur passiv beobachten. Wenn wir aber ein soziales Gebilde wie etwa eine Gemeinde darüber hinaus auch aktiv mitgestalten können, steigen die Lernmotivation und der Lernerfolg deutlich an. Wenn Du mit Deinen Nachbarn eine lokalpolitische Frage nur folgenlos diskutieren kannst, weil ohnehin andere entscheiden, ist das nun mal etwas anderes, als wenn Du sie von Deiner Meinung überzeugen und damit möglicherweise die nächste Gemeindeabstimmung gewinnen kannst.<

>Dann<, so entgegnete Helvetia, >ist der Mikrokosmos unserer Gemeinden oder auch Kantone also nicht nur deswegen ein hervorragendes Lernfeld, weil er ein menschliches Mass hat und damit überblickbar ist, sondern auch, weil man ihm nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern ihn mitgestalten kann. Das schafft dann das, wofür ich sonst zuständig bin: ein Gefühl von Heimat.<

>Ja. Wurzeln wachsen nicht von selber, man muss sie schon aktiv treiben lassen, und dafür bieten unsere verschiedenen Ebenen von Mikrokosmos – schliesslich ist auch die Schweiz als Ganzes ein solcher – ein hervorragendes Biotop.<

>Und tief reichende Wurzeln sind wiederum die Voraussetzung dafür, dass Bäume in den Himmel wachsen können.<, gab Helvetia zurück. >Ohne Heimat keine Weltoffenheit und damit auch keine Zukunftsfähigkeit. Allmählich verstehe ich Dein Loblied des Mikrokosmos als ideales Lernfeld nicht nur für die jeweilige Gemeinschaft, sondern auch für die einzelnen Menschen, die darin mitwirken.<

Ich stimmte ihr zu und erzählte ihr von meiner kleinen Gemeinde mit etwa 1700 Einwohnern, die Freiwillige für eine Internet-Kommission und für eine Zukunfts-Kommission suchte: >Für die erste meldeten sich 15 Leute, für die zweite gar 20. An den spärlichen Sitzungsgeldern kann es kaum liegen, wohl eher an der Gewissheit, damit nicht nur etwas Nützliches für die Gemeinde zu tun, sondern auch sich selber zu ermöglichen, etwas dazu zu lernen.<

>Was haben sie davon ?<

>Zum einen wird Lernen im nächsten Jahrhundert mit Sicherheit verstärkt zu einem Selbstzweck, zu einem Wert an sich. Zum anderen aber lassen sich in einem Mikrokosmos auch Zusammenhänge begreifen und Talente fördern, die auf selbstähnliche Muster in einer grösseren Dimension übertragbar sind. Wenn etwa die Mehrheit der Bundesversammlung Frau Metzler zutraute, ihre Erfahrungen in einem Kanton von 20 000 Einwohnern auf den Bund zu übertragen, in dem 350 mal mehr Menschen leben, dann vertraute sie genau auf das Prinzip des Mikrokosmos als Ausbildungsplatz für höhere Aufgaben.<

>Das hiesse<, liess Helvetia ihren Blick in die Zukunft schweifen, >die Schweiz wäre ein ideales Lernfeld, um künftige Europapolitiker hervorzubringen. Wenn die fraktale Geometrie recht hat, wären ja die Muster in Europa denen in der Schweiz ziemlich ähnlich, so dass Politikerinnen, die ihre Sporen in Bern abverdient haben, in Brüssel zeigen könnten, was sie dabei gelernt haben, nämlich eine ganze Menge.<

>Du hast völlig recht, und ich bin überzeugt davon, dass es eines Tages genau so kommen wird. Bevor die Schweiz aber ein selbstbewusster Teil von Europa werden kann, muss sie noch verstärkt begreifen, dass ihre Kleinheit keine Benachteiligung durch das Schicksal bildet, sondern im Gegenteil ein ausgesprochenes Privileg. Der Mikrokosmos ist leichter zu durchschauen und leichter zu beeinflussen als der Makrokosmos, und man verpasst erst noch nichts, weil dort im wesentlich alles ähnlich abläuft wie hier. Genau solche Einsichten erwarte ich mir von einer verstärkten Beschäftigung mit fraktaler Geometrie in der fraktalen Schweiz. Vielleicht verstehst Du jetzt meinen Wunsch für dieses Land etwas besser.<

Keine Antwort. Als ich zur Seite blickte, war der Platz, an dem sie eben noch gesessen hatte, leer. Ich sollte also nie erfahren, ob mein Wunsch eine Chance auf Realisierung besass. Aber vielleicht war der Umweg über die fraktale Geometrie auch gar nicht nötig, vielleicht würde die fraktale Schweiz sich aus so als solche begreifen und ihre Vorzüge noch besser, weil selbstbewusster, nutzen können…

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