100. Woche

Sonntag 13. Oktober 2013
Hundert Wochen sind wir nun hier und schreiben seit Beginn regelmässig jede Woche diesen Blog. Viel passiert ist in der Zeit. Angekommen mit einem Grossvater, der uns die letzten drei Monate vor unserer Abreise fast an den Rand unserer Nerven gebracht hätte, über eine Zeit, in der wir einen doch ziemlich aufgestellten Opa hatten, der das Leben hier und vor allem die liebevolle Betreuung der Thai’s genoss.
Bis hin zu seinen letzten Tagen, in denen er kaum mehr etwas verstand und auch wir ihn nicht mehr verstanden und in denen er uns auch meistens nicht mehr erkannte. Seit knapp 6 Monaten ist es nun sehr ruhig geworden in unserem Haus, wir mussten uns erst an die neue Ruhe gewöhnen, denn wir hatten ja in der letzten Phase von Opa eine 24-Stunden Betreuung im Haus.
Viel passiert ist auch mit uns: Angekommen als Fremde in einem exotischen und in vielen Punkten anders tickenden Land und in zwei Religionen, die wir mehr oder weniger nur am Rande kannten. In der Zwischenzeit haben wir doch einiges in der Thai-Sprache gelernt und konnten uns eigentlich sehr gut hier integrieren. Wir fühlen uns hier manchmal besser integriert als zuvor im appenzellischen Wald, wo wir ja 10 Jahre gelebt hatten. Wobei wir da natürlich die Integration etwas weniger gesucht haben wie hier als Ausländer.
Wir fühlen uns hier in der Zwischenzeit ehrlich gesagt schon fast mehr daheim als in der Schweiz und so manchmal vergessen wir fast, dass wir eigentlich Ausländer sind. Die Thai’s hier kommen immer so positiv auf einem zu, dass wohl mancher Zeitgenosse über deren Herzlichkeit skeptisch würde. Doch die Menschen spielen hier nicht nur das Lippen nach oben ziehen, nein, die Herzlichkeit ist ehrlich und erwärmt das Herz. Wir haben in der Zwischenzeit doch einige Freunde gewonnen und sollten wir hier mal irgendwann ein Problem haben, so würden diese Freundschaften wohl auch wirklich halten.
Ebenfalls viele neue Freundschaften haben wir zu all den Ausländern hier geschlossen. Auch wenn diese nur je nachdem 3 Wochen oder aber auch mehr als 6 Monate im Jahr hier sind. Die Multi-Kultur in SiBoya ist irgendwie speziell und lässt uns teilhaben an Gedanken von BürgerInnen von Ländern, die wir bis anhin nur oberflächlich kannten. Die Diskussionen jeden Abend zeigen so einige überraschende Momente und auch hier sind wir uns sicher: Wir könnten um die halbe Welt reisen und würden in der Zwischenzeit an vielen Orten Menschen treffen, die uns warmherzig als Gäste empfangen würden.
Überrascht waren wir von der Infrastruktur hier: Ein ausgebautes und geregeltes Verkehrssystem, ein Gesundheitssystem, dass sich hinter den europäischen Vorbildern nicht zu verstecken braucht, eine technische Infrastruktur, die zu Teilen gar besser als in Deutschland ist und ein Warenangebot, dass selbst unsere kühnsten Erwartungen übertroffen hat.
Auch die Arbeitslosigkeit ist auf einem wirklich tiefen Niveau, die Staatschulden haben sie im Griff und das Bankensystem ist wohl einiges gesicherter als bei uns. Die Industrie brummt, die Wachstumsraten sind gut und selbst die selbst verschuldeten Überschwemmungsprobleme dämpfen die Aussichten nicht. Einzig die Preiserhöhungen und der einbrechende Kautschukpreis bereiten etwas Sorge hier.
Thailand ist kein Entwicklungsland und auch kein Schwellenland mehr, denn die südlichen Nationen in Europa sind da wohl in einigen Punkten einiges weniger weit. Einzig das politische System scheint noch nicht ganz auf unserem Standard zu sein, selbst wenn demokratische Strukturen, das Justizsystem und Menschenrechte eigentlich auf unserem Standard sind. Zu viel Korruption prägt das Land immer noch. Doch abgesehen davon gibt es nicht viel zu bemängeln und auch die Verwaltung funktioniert erstaunlich unkompliziert.
Ein grosser Unterschied ist aber wohl die Immigrationspolitik. Hier in Thailand kann kein Ausländer Landbesitz kaufen, sondern maximal auf 60 Jahre im Baurecht (eine Art Leasing) erwerben. Ebenfalls kann nie eine ausländische Mehrheit in einem Unternehmen entstehen, denn 51% müssen Thais gehören. Sieht man die Probleme mit dem Bodenausverkauf in der Schweiz an, so scheinen uns dies eigentlich vernünftige Regeln.
Ebenfalls kann man hier das ganze Jahr nur im Land sein, wenn man entweder pensioniert ist und über eine Rente oder Vermögen verfügt, oder wenn man, wie wir, die Sprache lernt. Auch dies scheint nicht unvernünftig. Wie sich diese Punkte durch den Beitritt zur ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft ändern werden, ist noch offen, denn es entsteht hier eine Art EWG. Doch die Immigrations-Gesetze in Thailand sind die strengsten hier in Südost-Asien, so dass wir da wohl wenig zu befürchten haben, vielleicht werden diese dadurch eher einfacher.
Ein Dämpfer in der jüngsten Vergangenheit hatte bei uns hingegen mit der Schweiz zu tun. Als wir hier gestartet sind, hatten wir über die Stiftung spirit.ch einen gleichberechtigten Partnerschaftsvertrag mit einer anderen gemeinnützigen Stiftung. Wir hatten viel investiert und so versprach die Zusammenarbeit für die folgenden Jahre eine gute Arbeits- und Einnahmenquelle.
Doch leider wurden wir da, man kann es leider nicht anders sagen, über den Tisch gezogen. Noch im März letzten Jahres waren wir der Partner des Wunsches, bis die gemeinsam ausgearbeiteten Angebote am Markt positioniert und langsam erfolgreich waren. Auf einmal waren unsere Dienstleistungen zu teuer und wir wurden als Partner schlichtweg abserviert.
Doch es gibt beruflich auch Erfolge zu verzeichnen: Zum ersten Mal überschritten wir letzten Monat bei spirit.ch die 15‘000 Besucher Grenze und zum ersten Mal stiegen die Zugriffszahlen auf über 10 Artikel pro Besucher, insgesamt 176‘000 Aufrufe.
Und beim SustainCo – Beraternetz der Uni Lüneburg, das ich mitgegründet habe, wurden die ersten Aufträge abgeschlossen und das über SustainCo von mir mit-initiierte International Sustainability Expert Panel ISEP kommt ebenfalls in Bewegung. Dies hat zum Ziel Nachhaltigkeitsexperten aus verschiedenen Ländern zu deren Schwerpunkten und Lösungsansätzen zu befragen.
Und nach wie vor bin ich zu meinem Spezialgebiet der Nachhaltigkeitskommunikation immer noch (seit Jahren) auf der erste Seite bei Google zu finden. Das sieht man auch an Download-Zahlen meiner Masterarbeit. Diese wird im Schnitt immer noch 500mal pro Monat heruntergeladen, obwohl sie in der Zwischenzeit ja nicht mehr neu ist. Damit sind es seit der Veröffentlichung dieser Masterarbeit rund 50‘000 Downloads, was mich echt ein wenig beeindruckt.
Doch all die Aktivitäten bringen leider derzeit nur wenig ein. Wir müssen daher eher schauen, wie wir hier vor Ort Geld verdienen können und da gibt es drei Möglichkeiten: Durch den Import und Export von Artikeln, doch da ist es schwierig, die Nischen zu entdecken. Wir machen in diesem Bereich aber erste Sondierungsversuche. Wer aber Ideen und Vorschläge für mögliche Produkte hätte, da haben wir immer ein Ohr offen!
Die zweite Variante ist, Artikel aus dem Textilbedarf von Kleidern bis Bettwäsche hier schneidern zu lassen (dazu haben wir mit Jade und Ihren Bekannten qualifizierte Personen) und in der Schweiz zu verkaufen. Da sind wir im Aufbau begriffen und haben in der Zwischenzeit doch immerhin erste interessante Kontakte und Jade entwickelt bereits erste Modelle. Wer einen Laden in der Schweiz kennt, der an solchen Produkten interessiert sein könnte oder selber Interesse hat – vielen Dank an die Info mit Mail an ce@spirit.ch 🙂
Und dann gibt es eine dritte Variante, die wir hier näher beleuchten möchten: Wir hätten die Möglichkeit hier drei verschiedene Grundstücke zu kaufen und damit ein Ferienplatz für Gäste mit Demenz- oder Alzheimererkrankung, wie es unser Grossvater hatte, aufzubauen. Wir wissen auch durch unseren Besuch von Martin Woodtli in der 92.Woche, dass es da durchaus einen grossen Bedarf gibt, denn viele Angehörige stossen, wie wir damals, mit der Pflege Ihrer Angehörigen an eine Grenze und wären froh, wenn Sie einen möglichen Ferienplatz hätten.
Wir hätten da eine optimale Ausgangslage: Wir haben die notwendigen Personen mit Pflegeerfahrung, wir haben die notwendige Vernetzung auf der Insel, wir haben Zugang zu geeigneten Grundstücken, wir haben Kontakt zu Immigration, Polizei, weiteren Behörden und wir haben Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem hier. Auch konnten wir Martin Woodtli selber von unserem Vorhaben begeistern, der sich vorstellen könnte, uns Interessierte zu vermitteln und uns beratend zur Seite zu stehen.
Doch dazu benötigen wir noch ca. 40 – 50‘000 Franken zusätzliches Investitionskapital, um das Projekt zu starten. Und das ist wohl die grösste Hürde. Daher: Wenn ihr also irgendjemand kennt, der eine verhältnismässig sichere und vor allem sinnvolle Anlage tätigen möchte und dem die Rendite nicht die Priorität Nr. 1 ist (wir bieten 2% Zins), so würden wir uns über ein Mail an ce@aloja.ch freuen.
In einem separaten Artikel lest Ihr mehr zu unserem Projekt „Baan Tschai Dii“ und findet da alle Detailinformationen.
Nun zum Schluss auch noch ein Wort zu diesem Blog und dessen Zukunft: Über 100 Wochen hat nun das Thema „Blog“ jeden Samstag und teils den Sonntag dominiert und oft waren es mehrere Stunden Arbeit, diesen zu schreiben. Dies taten wir gerne, denn wir wussten, dass es da draussen eine wachsende Anzahl von Fans gab, die jeden Sonntag diesen Blog lesen und uns dementsprechend positive Feedbacks‘ zukommen lassen. Doch irgendwann gehen uns auch die Themen aus, über die wir schreiben können, denn auch hier gibt es zunehmend eine Art Alltag.
So haben wir uns zu einer sanften Veränderung entschlossen: Anstatt jedes Wochenende einen neuen Blogbeitrag mit einem Haupt-Thema zu verfassen, werden wir Euch neu über die Seite Wochenblog einmal pro Woche kurz und prägnant über unsere Erlebnisse und unser Wohlbefinden hier auf SiBoya berichten. Dies kann einmal ein umfassender Beitrag wie früher sein, aber manchmal bei einer eher ereignislosen Woche auch nur ein paar Zeilen.
Sobald wir ein Thema haben, für das sich eine Vertiefung lohnt, werden wir dieses in einem eigenen Hauptbeitrag fokussieren. Dabei kann es sich um ein aktuelles Ereignis handeln oder aber auch um ein generelles Thema in unserem Leben hier in Thailand.
So berichten wir in einem solchen ersten Fokus-Artikel ausführlicher über unser Projekt „Baan Tschai Dii“ und ebenfalls ist für übernächste ein Fokusbeitrag zum Vegetarian-Festival, dessen Zeuge wir am Dienstag wurden, bereits in Vorbereitung.
Wir werden auf jeden Fall im Wochenblog auf solche Fokusbeträge hinweisen und freuen uns, wenn ihr weiterhin von unseren Erlebnissen in Asien lesen möchtet.