Mogelpackungen?

Glaubwürdigkeit und Wirkung von nachhaltigen Standards
Am 8. Juni 2011 fand an der ETH Zürich der „Public Day“ einer Veranstaltung statt, die in der Schweiz eher wenig beachtet wurde, aber für die Zukunft einen entscheidenen Impuls geben könnte. An der Tagung der ISEAL-Alliance trafen sich primär VertreterInnen von Organisationen, die die von Ihnen entwickelten Standards bzw. Labels im Bereich des ethisches Wirtschaften verbessern und koordinieren möchten.
Kennen Sie das nicht auch? Sie stehen vor dem Regal und betrachten all die verschiedenen Labels auf den Produkte-Verpackungen und fragen sich, was diese nun wirklich bedeuten. Vor allem fragen Sie sich, ob diese Angaben auch wirklich stimmen, und ob die Mindest-Standards wirklich eingehalten werden. Da sind Sie bei diesem Label-Chaos sicherlich nicht der/die Einzige.
Dessen sind sich auch die Label-Organisationen bewusst, wie an dieser Tagung stark spürbar wurde. Das Thema der Tagung war vor allem, wie die Einführung von Standards im Bereich der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit noch mehr Wirkung in den betroffenen Produktionsländern erzielen könnten.
Damit würden sich die Labels noch mehr Glaubwürdigkeit erarbeiten, denn immer wieder gibt es ja Kritiken an den Vergabe-Kriterien einiger Labels, die das Vertrauen der KonsumentInnen stark negativ beeinflussen könnnen. In diesem Sinne ist es sehr lobenswert, dass sich die „Branche“ zusammensetzt und ohne Konkurrenz-Gedanken gemeinsam diskutiert, was noch verbessert werden kann, und wo Labels im Sinne der Effizienz auch zusammenarbeiten könnten.
Das TeilnehmerInnen-Feld
Der ISEAL-Alliance gehören bekannte Labels und Standards wie FSC, MSC, Fair Trade, Rain Forest Alliance, utz und SA-8000 (Social Accountability) an. Auch VertreterInnen einiger anderer Labels wie 4C Association, Cotton made in Africa, Fairfood, Max Havelaar, BioRe (NaturaLine), Climatop und Global Organic Textile Standard nahmen an der Tagung teil.
Verschiedene UniversitätsvertreterInnen, NPO-Delegierte von Organisationen wie Helvetas, WWF, Unido und Solidaridad, Behörden-VertreterInnen und einige UnternehmensvertreterInnen ergänzten die Runde. Für alle jene, die gerne wissen möchten, welche Unternehmen sich für das Thema interessieren, hier ein paar der bekannteren Unternehmen, die vertreten waren: Coop, Kraft, Mars, Migros, PWC, Rewe, Selecta, Switcher und Unilever. Die rund 200 TeilnehmerInnen stammten dabei aus allen allen fünf Kontinenten. Dem North-South Centre der ETH Zürich, die die Tagung mit der Unterstützung des SECO organisiert hat, kann nur gratuliert werden, eine solche Tagung nach Zürich gebracht zu haben.
Von den anderen lernen…
An der Breakfast-Session, die auf unerwartetes Interesse stiess, wurde erklärt, wie ISEAL funktioniert, welche Ziele sie sich selber gegeben haben, und welche Kriterien für eine Aufnahme erfüllt sein müssen. Dabei wurde klar, dass die meisten Standards nicht ohne solvente GönnerInnen überleben können und das daher vor allem das „Kern-Geschäft“ optimiert werden muss. Durch das gegenseitige Lernen und den Informationsaustausch unter den Organisationen sollen die Wirkungen verbessert werden. Transparenz und Prozessqualität waren dabei wichtige Themen, und der Einbezug der Stakeholder vor Ort beim Produzenten wurde als eine der grössten Herausforderungen bezeichnet.
Im Plenum wurden die Entwicklungen in den sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) beleuchtet. Vor allem die Zielsetzungen und das bereits Erreichte in Brasilien beeindruckten. Aus den Diskussionen ging aber auch hervor, das auch die anderen Länder das Thema ernst nehmen. Insbesondere China hat sich hohe Ziele gesetzt, die gemäss chinesischen VertreterInnen nicht nur reine Propaganda sind. Bewährt habe sich dabei, nicht von Nachhaltigkeit zu sprechen, sondern von den Risiken, die eine nicht-nachhaltige Wirtschaft beinhalte.

Die Probleme ernst nehmen…
In den darauf folgenden „Sessions“ waren die Messung der Wirkungen der Zertifizierungen, die Entwicklung der Standards in China und die Perspektiven der Kaffee-Branche ein Thema. Der Autor nahm am vierten Workshop zum Thema „Linking Producers to Markets“ teil. Dabei zeigten Sybil Anwander Phan-Huy von Coop die Seite des Detailhandels, Peter Schmidt von Helvetas die Seite der NPO’s, Hans-Peter Egler vom SECO die staatliche Seite und Yayra Glover aus Ghana die Produzenten-Seite auf. Die unterschiedlichen Ansprüche zeigten die Komplexität des fairen Handels auf. Gemäss Yayra Glover sind vor allem diese Punkte aus der Produzenten-Sicht problematisch:
- Nur wenig institutionelle Kapazitäten
- Gesetze, die den fairen Handel behindern
- Wenig Respekt für lokale Initiativen
- Fehlen des Unternehmergeistes der Landwirte
- Abgenutze und ausgebeutete Plantagen
- Probleme bezüglich des Grundstück-Besitzes
- Hürden in der Beschaffung von Handelskapital
Interessanterweise wurde die Einführung von Standards für den fairen Handel auch schon als neue Konolialisierungs-Idee bezeichnet, was zeigt welchem Misstrauen einem solchen Vorhaben anfänglich erwachsen kann.
Als wichtige Förderer des Standardisierungs-Systems wurden bezeichnet:
- Das Beschaffen von Kapital für die Umstellungszeit auf nachhaltigere Produktionsweise
- Die Vereinfachung der verschiedenen Systeme
- Die Kooperationsförderung zwischen den verschiedenen Labels
- Die Erschliessung genügender Kapazitäten
- Die Weiterbildung und das Trainig der Produzenten in den Entwicklungsländern
- Die Unterstützung bei den Auditierungen und den Zertifikations-Prozesssen
Zudem werde die Zeit (und damit das benötigte Kapital) für den Aufbau von nachhaltigen Projekten meist unterschätzt.

… und schrittweise vorgehen
Nach der Mittagspause standen wiederum verschiedene Sessions zu Themen wie der Aufgabe des Staates im Bereich der Nachhaltigkeits-Standards, die verstärkte Prüfung der Standards mit einem einheitlichen Qualitäts-Code und die schrittweise Einführung von Standards als Instrument zur Föderung der nachhaltigen Produktion bereit. An der letzteren Session wurde vor allem das Beispiel der 4C Association beleuchtet. Diese stellt relativ tiefe Anforderungen an die Produzenten in der Kaffee-Branche und sei damit vor allem geeignet, Farmer zu überzeugen, die sich ansonsten nie mit den hohen Anforderungen anderer Standards befasst hätten. Damit zielt der B to B „Baseline-Standard“ vor allem darauf ab, dass gewisse Kiterien des fairen Handels in die Breite gestreut werden, da die Eintritts-Schwelle tiefer ist. Wer die Stufe erreicht hat, kann nachher in einem nächsten Schritt die höheren Anforderungen der Konsumenten-Labels angehen.
In der abschliessenden Podiums-Diskussion stand die nachhaltige Lieferkette im Fokus. Einrdringlich mahnte Robin Cornelius, Gründer von Switcher an, dass in 10 Jahren nur noch von einem Image-Risiko die Rede sein werde, wenn Unternehmen nachhaltige Standards nicht einhalten. Das heute stattdessen immer noch teuer bezahlte Anwälte beschäftigt werden und nur wenig Budget für die Nachhaltigkeit bereit gestellt werde, sei eigentlich nicht verständlich. Auch forderte er die Unternehmen auf, die unabhängige Kontrollfunktion von NPO’s zu fördern und als Unternehmen diesen mehr Geld zufliessen zu lassen oder diese gar im Verwaltungsrat anzuhören.
Einig waren sich die PodiumsteilnehmerInnen, dass die Behörden Ihre Einkaufs-Strategie mehr nach nachhaltigen Kriterien ausrichten müssten. Auch müssen die Auswirkungen der Produktion eines Produktes einfacher und eindrücklicher dargestellt werden. Als Beispiel dazu wurde der „Water-Footprint“ genannt, der aufzeigt, wie viel Wasser zur Produktion eines Produktes benötigt wird oder der „Social-Fingerprint“, der aufzeigen soll unter welchen sozialen Bedingungen das Produkt hergestellt wurde.
Insgesamt war es eine belebende Veranstaltung, die aufgezeigt hat, dass es den meisten Organisationen ein Herzens-Anliegen ist, die Wirkung der Labels und Standards zu verbessern.
