Die älter werdende Gesellschaft

Werden Falten sexy? Alles über die Wahrnehmung des Megatrends Reife
Wird die älter werdende Gesellschaft überhaupt als Thema wahrgenommen? Wie schätzt man die Folgen dieses Megatrends ein? Werden Falten sexy? Und hat sich bei diesen Fragen im letzten Jahrzehnt etwas bewegt? Das sind die Kernthemen dieses Beitrags, der aufzeigt, vor welchem Wahrnehmungs-Hintergrund sich eine neue Sicht des älter Werdens entwickelt.
Zukunftsthema älter werdende Gesellschaft

Aus heutiger Sicht steht das Thema der älter werdenden Gesellschaft und ihrer Folgen für ziemlich genau die Hälfte der Befragten ziemlich weit oben oder ganz zuoberst auf der Liste der wichtigsten Zukunftsthemen. Für die andere Hälfte liegt das Thema im Mittelfeld oder noch weiter hinten auf dieser Liste.
Allerdings handelt es sich dabei um eine Momentaufnahme, wie Vergleiche mit früheren Befragungen zeigen, die exakt dieselbe Fragenformulierung verwendeten. Demnach lag das Thema noch vor zehn Jahren nur für rund ein Drittel weit oben in der Liste der wichtigsten Zukunftsthemen. Vor drei Jahren hatte sich dieser Anteil fast verdoppelt, nun ist er wieder etwas zurückgegangen, was angesichts der in der Zwischenzeit stattgefundenen Wirtschaftskrise, welche viele Prioritäten verschoben hat, nicht sehr erstaunlich ist.
Dennoch steht fest: Im letzten Jahrzehnt ist das Thema der älter werdenden Gesellschaft und ihrer Folgen endgültig auf der Liste der relevanten Zukunftsthemen angekommen. Kurzfristige Rückschläge ändern an diesem langfristigen Trend wenig.

Nicht ganz unerwartet wird die Bedeutung des Themas je nach eigenem Alter unterschiedlich eingeschätzt. Hier gibt es eine direkte lineare Beziehung: Je älter die Befragten, desto weiter oben platzieren sie das Thema älter werdende Gesellschaft und ihre Folgen auf der Liste der wichtigsten Zukunftsthemen. Anders gesagt: Je stärker man persönlich vom Thema betroffen ist, desto bedeutsamer erscheint es einem.
Die Folgen der älter werdenden Gesellschaft

Im Jahr 2010 sieht ein Drittel der Befragten eher oder klar negative Folgen der älter werdenden Gesellschaft. Nur ein Fünftel dagegen sieht die Folgen positiv. Der Rest prognostiziert eine ausgeglichene Folgen-Bilanz.
Dieses Bild war vor noch vor drei Jahren wesentlich positiver. Mit vier von zehn war die Fraktion der Positivseher wesentlich grösser als jene der Schwarzmaler mit einem knappen Viertel. Hier hat ganz offensichtlich die Wirtschaftskrise etwas Grundsätzliches an der Zukunftsstimmung geändert – im Sinne eines geschmolzenen Optimismus.
Fasst man allerdings grössere Zeiträume ins Auge, nämlich ein Jahrzehnt, dann stellt man fest, dass die Abschätzung der Folgen der älter werdenden Gesellschaft trotz des Rückschlags in letzter Zeit heute wesentlich positiver ausfällt als vor zehn Jahren. Damals war immerhin die Hälfte überzeugt, diese Folgen seien mehrheitlich negativ. Hier hat offensichtlich ein Bewusstseinswandel stattgefunden. Und dieser Wandel muss noch keineswegs zu Ende sein – er ist weiterhin nötig.
Ist die positive oder negative Einschätzung der Folgen der älter werdenden Gesellschaft eine Altersfrage? Ja – aber keineswegs im linearen Sinne. Wohl steigt der Anteil der positiven Einschätzungen mit dem Alter an. Und wohl gibt es nur bei den Befragten unter 50 einen relevanten Anteil, der diese Folgen nicht nur „eher negativ“, sondern ausgesprochen „klar negativ“ sieht. In dieser Generation ist eine deutliche Skepsis spürbar.
Diese Skepsis gibt es allerdings auch bei der Generation 65plus. Hier finden wir sogar den höchsten Anteil an negativen Einschätzungen der Folgen der älter werdenden Gesellschaft. Und zugleich den höchsten Anteil an positiv Gestimmten. Das heisst: In dieser Altersgruppe polarisiert die Frage am stärksten, es gibt relativ wenig Unentschiedene.
Ganz anders die mittlere Generation der Babyboomer zwischen 50 und 64: Hier halten sich Skeptiker und Optimisten in etwa die Waage, jedoch auf tiefem Niveau. Die grosse Mehrheit sieht „ausgeglichene Folgen“ der älter werdenden Gesellschaft voraus. Was von einer gewissen Gelassenheit dieser Gruppe zeugt.
Sichtbar wird jedoch schon hier, dass es in manchen Fragen keine lineare Beziehung zwischen Alter und Antworten gibt. Aussagen vom Typ „je älter, desto …“ sind also keineswegs immer möglich. Offenbar ist eine differenzierte Betrachtungsweise der einzelnen Lebensphasen angesagt.
Werden Falten sexy?
Bereits in einer der ersten Befragungen von SensoNet, dem Vorläufer-Projekt von spirit.ch, wurde im Jahr 1996 im Zusammenhang mit der Thematik „Orientierung und Leitbilder folgende Frage gestellt:
Zu welcher Meinung über das Alter künftiger Vor- und Leitbilder neigen Sie eher?
a) Im 21. Jahrhundert merken wir endlich, dass wir uns in einen Jugendlichkeitswahn verrannt haben. Eine reife Gesellschaft braucht reife Leitbilder, denn Weisheit ist eine Frucht des Alters. Falten werden deshalb sexy.
b) Im 21. Jahrhundert wird der Jugendkult noch zunehmen. In einer alten Gesellschaft ist das Gut Jugend knapp und entsprechend hoch geschätzt. Nur wer jung und schön ist, hat deshalb Chancen, zum Leitbild zu werden.
Diese Frage wurde im exakt selben Wortlaut bei Befragungen in den Jahren 2000, 2007 und jetzt 2010 wiederholt gestellt, so dass uns hier Zeitvergleiche im grösseren Massstab möglich sind:

Demnach gab es von Anfang an eine klare Mehrheit für die Meinung a), das heisst, die meisten Angehörigen der meinungsbildenden Avantgarde waren und sind der Ansicht, es kämen reife Leitbilder. Diese Mehrheit war im Jahr 2000 etwas kleiner geworden, stieg aber dann zu Ende der Nuller Jahre auf über achtzig Prozent. Dieser Wert hat sich in den letzten drei Jahren bis zum Jahr 2010 kaum noch verändert.
Zumindest beim bewusstesten und sensibelsten Teil der Gesellschaft hat sich die Einsicht also fast vollständig durchgesetzt: Eine älter werdende Gesellschaft braucht reife Vor- und Leitbilder. Um es salopp und leicht überspitzt zu formulieren: Falten werden deshalb sexy.
Diese Einsicht ist im Übrigen nicht ganz unabhängig vom eigenen Alter:

Auch hier gibt es keinen linearen Zusammenhang. Unabhängig davon bleibt die Quintessenz: Alle Altersgruppen wollen grossmehrheitlich reife Leitbilder.
Fazit: Der Bewusstseinswandel ist in Gang gekommen. Die älter werdende Gesellschaft ist zum Zukunftsthema geworden. Die Folgen dieser Entwicklung werden nicht mehr ausschliesslich negativ eingeschätzt, man beginnt, auch ihre Chancen zu entdecken. Und reifere Vor- und Leitbilder haben grosse Zukunftspotenziale.