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Von Thailand und anderen Abenteuern

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Schweiz am Abgrund

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Ein interaktiver Schweiz-Krimi in Fortsetzungen

Die Themen „Identität, Werte und Zukunft der Schweiz“ in Form einer spannenden und vergnüglichen Geschichte attraktiv zu machen, ist das Ziel des Fortsetzungs-Krimis Schweiz am Abgrund. Die neuen Folgen erscheinen im Abstand von einer Woche in Zukunft jeweils am Freitag. An manchen Stellen haben Sie als Leserin oder Leser die Möglichkeit, interaktiv ins Geschehen einzugreifen. Bleiben Sie dran!

Teil 1 – 12. März 2014
Teil 2 – 21. März 2014
Teil 3 – 28. März 2014
Teil 4 – 4. April 2014
Teil 5 – 11. April 2014

Schweiz am Abgrund (Teil 1)

Markus Harzenmoser hatte sich einen einstündigen Mittagsschlaf gegönnt. Heute war seine wöchentliche Kolumne fällig, und aus den Erfahrungen eines langen Schreiberlebens wusste er, dass er ausgeruht am besten war. Gerade bei diesem Auftrag einer grossen deutschen Sonntagszeitung wollte und musste er sein Bestes geben. Es ging immerhin um nichts weniger als den deutschen Leserinnen und Lesern die Gemütslage seiner Schweizer Landsleute nach der denkwürdigen Abstimmung über die so genannte Masseneinwanderungsinitiative zu erklären.

Der Kolumnentitel „Schweiz am Abgrund“ war nicht seine Wahl gewesen. Der Vorschlag war von der Redaktion gekommen, man wollte mit einem dramatischen Titel Leser anlocken. Harzenmoser, der im Hauptberuf als Deutschlandkorrespondent für einige mittelgrosse Schweizer Tageszeitungen mit Sitz in Berlin arbeitete, fand den Titel bei genauerer Betrachtung nur mässig übertrieben. Das Land, aus dem er stammte und dem er sich nach wie vor stark verbunden fühlte, war nach der äusserst knapp ausgegangenen Abstimmung tatsächlich immer näher an den Abgrund einer Spaltung geraten.

Entsprechend war der bei den Nachbarn der Schweiz der Bedarf nach Erklärungsmustern für diese ebenso seltsame wie bedrohliche Entwicklung gestiegen. Besonders gefragt waren Stimmen, welche die Innensicht eines geborenen Schweizers mit der Aussensicht von jemandem, der lange im Ausland gelebt und gewirkt hatte, verbanden. Markus Harzenmoser hatte deshalb das Angebot, eine solche Stimme zu sein, gerne angenommen, auch wenn er wusste, dass es eine ernsthafte Herausforderung sein würde zu verstehen, was in der Schweiz wirklich los war.

Harzenmoser liebte Herausforderungen und fand, dass ihn das mit seinem Heimatland verband. Die Schweiz hatte im Laufe ihrer langen Geschichte immer wieder ernsthafte Herausforderungen angenommen und bewältigt. Das würde, so hoffte er zumindest, auch diesmal nicht anders sein. Und er, Markus Harzenmoser, wollte einen kleinen, aber feinen Beitrag zur Lösung der aktuellen Krise leisten. Das war er seiner Heimat einfach schuldig.

Wie so viele seine Landsleute war auch Harzenmoser erst im Ausland zum Patrioten geworden. Erst der Blick von aussen hatte ihn gelehrt, die vielen Qualitäten und Vorzüge der Schweiz wirklich zu schätzen, ja zu lieben. Und obwohl er in Berlin beruflich erfolgreich war und echte Freunde gefunden hatte, plagte auch ihn gelegentlich die „Schweizer Krankheit“, das Heimweh.

In der Vorbereitung auf seine heutige Kolumne hatte sich Harzenmoser über dieses Phänomen sachkundig gemacht. Früher galt demnach Heimweh als eine Krankheit, die tödlich enden konnte. Und sie galt als „Schweizer Krankheit“. Der Basler Mediziner Johannes Hofer beschrieb Heimweh 1688 erstmals als wissenschaftlich als eine Krankheit. Er beobachtete bei Schweizer Soldaten oder Reisenden in der Ferne eine schwere Gemütslage. Ihre Lebensenergie sei durch das anhaltende Denken an das Vaterland erschöpft.

Markus Harzenmoser wusste aus eigener Erfahrung, dass diese Krankheit nicht ausgestorben war, auch wenn sie kaum noch tödlich endete. Um ihre Auswirkungen zumindest zu mildern, reiste er deshalb so oft wie möglich in die Schweiz. Gleichzeitig konnte er dort jene Eindrücke aus erster Hand sammeln, die er in seinen Kolumnen verarbeitete. Bereits hatte er einige davon platzieren können, was für ihn ein ermutigender Hinweis darauf war, dass er etwas zu sagen hatte.

Bevor er auf seinem Computer ein neues Dokument für die Kolumne anlegte, wollte sich Markus Harzenmoser einen Überblick über die Nachrichtenlage verschaffen und klickte deshalb sein Schweizer Lieblingsnachrichtenportal an. Dort prangte dick und fett die Schlagzeile »Blocher und Leuthard entführt!«.

Viel wusste man noch nicht, nur dass der Anführer der Nationalen Rechten und Ex-Bundesrat Christoph Blocher sowie die amtierende Verkehrsministerin Doris Leuthard unabhängig voneinander, aber fast zeitgleich verschwunden waren. Alles deutet auf zwei Entführungen hin. Weitere News würden folgen.

Markus Harzenmoser war geschockt. Damit hatte selbst er nicht gerechnet. Wohl hatte er in den letzten Monaten eine Verschärfung der Lage registriert, und in seinen Kolumnen hatte er mehrfach vor einer Eskalation gewarnt. Doch dass es so weit kommen könnte, hatte er nicht mal in seinen Alpträumen vorhergesehen.

Bevor an eine neue Kolumne zu denken war, musste er erst einmal selber verstehen, was er bisher übersehen hatte. Er beschloss, die Vorgeschichte zu rekonstruieren, indem er alle bisher erschienen Kolumnen noch einmal sorgfältig las. Vielleicht könnte er so besser nachvollziehen, was die Schweiz jetzt näher denn je dahin getrieben hatte, wovon der Kolumnentitel sprach: an den Abgrund.

Wie konnte es so weit kommen? Am Freitag in einer Woche, dem 21.März erfahren Sie mehr!

Schweiz am Abgrund (Teil 2)

Was bisher geschah: Markus Harzenmoser, Schweizer Korrespondent in Berlin, schreibt eine Kolumne, um Deutschland die Schweiz nach der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative zu erklären, als ihn die Meldung von der Entführung von Christoph Blocher und Doris Leuthard erreicht. Um die Vorgeschichte zu verstehen, holt er sich seine bisherigen Kolumnen auf den Bildschirm.

Teil 2 – Freitag 21.März 2014 – Zum Teil 1 | 3 | 4 | 5

»Entweder Sie akzeptieren jetzt den Titel „Schweiz am Abgrund“ für Ihre geplante Kolumne, oder daraus wird nichts. Wir sind hier nicht in der Schweiz mit ihren blumig verharmlosenden Formulierungen. Hier in Berlin bevorzugen wir den direkten Klartext.

Diesem Ultimatum des Chefredakteurs hatte ich nichts mehr entgegenzusetzen. Mein Argument, so schlimm sei die Lage nun auch wieder nicht, die Bezeichnung „am Abgrund“ sei klar übertrieben, hatte er mit der Bemerkung gekontert, Übertreibung sei für ihn nur ein anderes Wort für Verdeutlichung und diene damit der Klärung.

Und überhaupt, hatte erhinzugefügt, sei die Lage für die Schweiz nach der denkwürdigen Abstimmung eindeutig ernst, auch wenn man das im Land selbst vielleicht nicht so wahrnehme. Die EU habe die beschlossene Abkehr vom freien Personenverkehr als schallende Ohrfeige empfunden, schliesslich sei damit einer der ehernen Grundpfeiler der Europäischen Union in Frage gestellt worden.

Erste Strafmassnahmen wie die Kündigung des Erasmus-Abkommens zum Studentenaustausch hätten gezeigt, dass die EU den Schweizer Liebesentzug nicht so einfach hinnehmen würden. Sollte die Lage eskalieren, drohe der Schweiz, vom europäischen Binnenmarkt ganz ausgeschlossen zu werden, und dann stünde sie wirklich am Abgrund.

Meine typisch schweizerischen Beschwichtigungsversuche fruchteten nichts. Weder der Hinweis, die Suppe werde nicht so heiss gegessen wie sie gekocht wurde, weil ja noch völlig offen sei, wie die konkrete Umsetzung eines Grundsatzbeschlusses aussehe, noch das Argument, auch die EU habe ein vitales Interesse an einer gütlichen Einigung mit einem wichtigen Handelspartner, konnten ihn überzeugen. Die Schweiz habe sich nun mal getraut, als David mit gerade mal acht Millionen Einwohnern gegen den Koloss EU mit seinen fünfhundert Millionen aufzumucken, und das sei ein Riesenrisiko.

»Somit steht die Schweiz tatsächlich am Abgrund«, schloss er, »und deshalb bleibt es beim Titel. Basta.« So kam es, dass Sie meine wöchentlichen Notizen darüber, was in der Schweiz los ist, künftig unter diesem Titel lesen werden. Ob er sich bewahrheitet, oder ob er doch übertrieben ist, wird sich weisen. Ich werde jedenfalls versuchen, Indizien für beide Betrachtungsweisen zu finden, schliesslich gehört ein gewisser Drang zur Neutralität zur Schweizer Grundausstattung.

Ich muss zugeben, dass es aus der realpolitischen, sprich machtpolitischen Sicht, die der Chefredakteur vertritt, durchaus gute Gründe gibt, die Schweiz am Abgrund zu sehen. Mindestens so viel Sorgen macht mir allerdings eine innerschweizerische Perspektive. Die Abstimmung über jene Vorlage, die von den Befürwortern als Initiative gegen Masseneinwanderung verkauft und von den Gegnern als Abschottungsinitiative bekämpft wurde, ging ja denkbar knapp aus. Gerade mal 50.3 Prozent haben ihr zugestimmt, das Lager der Befürworter umfasste zum Schluss 29’000 mehr Stimmen als jenes der Gegner.

Eine solche Spaltung in zwei annähernd gleich grosse Blöcke tut selten gut. Schon gar nicht, wenn es um eine so grundsätzliche Frage wie die geht, was aus der Schweiz werden soll. Die eine Hälfte setzt auf eine weiterhin offene Schweiz, die alles in allem von der Zuwanderung profitiert, vor allem wirtschaftlich, der anderen Hälfte ist diese Offenheit zu viel geworden, weil sie wichtige Interessen und Werte bedroht. Dass diese Hälfte die Abstimmung gewonnen hat, war je nach Position Glück oder Pech, auf jeden Fall eher zufällig.

Dumm gelaufen, könnte man dazu sagen. Das genügt nur leider nicht. Das zerrüttete Verhältnis zur EU kann die Schweiz vielleicht mit kluger Verhandlungsdiplomatie wieder ins Lot bringen. Die unheilvolle Spaltung der Schweiz selbst wird damit nicht überwunden. Dafür braucht es gründliche Ursachenforschung. Und vor allem kreative Lösungsansätze. Von einem hoffe ich nächste Woche berichten zu können.«

* * * * * * *

Während Markus Harzenmoser seinen alten Text auf dem Grossbildschirm las, verfolgte er mit einem Auge die aktuelle Nachrichtenlage auf seinem Tablet und sah dort die Schlagzeile: »Radikale Turboproper bekennen sich zu Blocher-Entführung – radikale Armbrüstler im Gegenzug zu Leuthard-Entführung«.

Wer sind die geheimnisvollen Armbrüstler und Turboproper? Nächste Woche erfahren Sie mehr!

Schweiz am Abgrund (Teil 3)

Was bisher geschah: Markus Harzenmoser liest seine erste Kolumne über die „Schweiz am Abgrund“ wieder, um besser zu verstehen, warum die Lage bis zur Entführung von Blocher und Leuthard eskalieren konnte. Er macht sich darin Sorgen um die Spaltung der Schweiz in zwei gleich grosse Blöcke.

Teil 3 – Freitag 28.März 2014 – Zum Teil 1 | 2 | 4 | 5

Der Landgasthof Hirschen oberhalb des Appenzeller Dorfs Wald liegt einzigartig. Der Blick schweift weit über die Hügellandschaft des Appenzellerlands, das vielen zu Recht als besonders typisches Stück Schweiz gilt, nicht nur seines berühmten Käses wegen. Weit unten sieht man einen Teil von St. Gallen und wird so daran erinnert, dass die Schweiz auch aus Städten besteht. An einem anderen Horizont erhebt sich die Bergkette des Alpsteins mit ihrem höchsten Gipfel Säntis als Mahnmal dafür, dass sich weite Teile der Schweiz tief innen immer noch als Bergler sehen.

Allerdings liegen manche der Gipfel, die man vom Hirschen aus sieht, bereits in Österreich. Und es braucht vom Gasthof aus nur wenige Schritte, um einen Teil des Bodensees samt dessen deutschem Nordufer sehen zu können. Damit ist der Hirschen ein schönes Symbol dafür, dass man sehr wohl mitten in der Schweiz als auch sehr nah bei den befreundeten Nachbarn liegen kann.

Diese symbolträchtige Lage war es, die zur Wahl des Tagungsorts der HICO geführt hatte. Und weil man da oben auf rund tausend Meter Meereshöhe unvergleichliche Weit- und Ausblicke erleben konnte, also genau das, was in einer Krisensituation gebraucht wurde, beschloss die HICO, sich auch nach ihrem Tagungsort zu benennen: Die Hirschen-Connection. Zu deren aktueller Tagung, an der wichtige Neuigkeiten verkündet werden sollten, bin ich eingeladen worden und habe letzte Woche daran teilgenommen.

Die klugen Köpfe, aus denen die HICO besteht, haben natürlich längst herausgefunden, dass man diesen Namen auch anders lesen kann. HI etwa könnte „Helvetia integra“ bedeuten, also die ungeteilte, nicht gespaltene Schweiz. Und CO könnte auch für Confoederatio stehen, das lateinische Wort für Eidgenossenschaft.

Eine Genossenschaft, die auf einem Eid beruht – das ist in den Augen der HICO das eigentliche Geheimnis der Schweiz. Dieses Land hat ja keinerlei reale Grundlagen in Form einer sinnvoll abgrenzbaren geografischen Lage oder eines in sich abgeschlossen Sprachkulturraums. Ein geteilter Eid ist dagegen etwas höchst Abstraktes und Symbolisches, keine stabile Grundlage für eine gemeinsame Identität, sollte man meinen. Und doch hat es funktioniert. Jedenfalls bis heute.

Die gemeinsame Identität der Schweiz beruht also ausschliesslich auf Symbolen. Zu diesem Schluss war die HICO bei ihren bisherigen Tagungen gekommen. Die logische Fortsetzung dieses Gedankens lautete: Wenn die bisher funktionierende Gemeinsamkeit in der Schweizer Identität bedroht ist, taugen die bisherigen Symbole nichts mehr. Gebraucht werden also neue Symbole für das, was die Schweiz ausmacht.

Ich muss gestehen, dass ich diesen Gedanken zunächst etwas abwegig fand. Da steht die Schweiz vor handfesten politischen und wirtschaftlichen Problemen, und die haben nichts Besseres zu tun als neue abstrakte Symbole zu suchen? Bei näherer Betrachtung überzeugte mich der Gedanke. Symbole reichen ja nicht nur in luftige oder gar luftleere Höhen, sie verweisen auch die Tiefen unserer innersten Identität und verkörpern jene Werte, die uns wichtig sind.

Die HICO hatte zu diesem Thema in ihrer Einladung den Basler Soziologen Ueli Mäder zitiert: »Die wirtschaftliche Nützlichkeit, mit der die Gegner der Vorlage argumentiert haben, hat breite Teile der Bevölkerung nicht erreicht. Vielleicht, weil die Menschen wieder nach anderen Werten im Leben suchen.«

Und hinzugefügt: »Darum geht es: Welche Werte sind der Schweiz und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern für die Zukunft wichtig? Werte lassen sich immer nur bedingt in Worten ausdrücken. Mindestens ebenso gut wird das Wesen von Werten durch Symbole aller Art erfasst. Deshalb suchen wir nach aussagekräftigen Symbolen für die Werte der zukünftigen Schweiz. Dieser Prozess kann und soll gerade in der Schweiz nicht von oben herab erfolgen. Nicht Experten oder andere Entscheidungsträger sollen über die künftigen Symbole, wofür die Schweiz steht, bestimmen, sondern alle, denen die Zukunft der Schweiz am Herzen liegt. Wie wir uns einen solchen breit abgestützten demokratischen Auswahlprozess vorstellen, erfahren Sie an unserer Tagung.«

Und Sie, verehrte Leserinnen und Leser, erfahren es nächste Woche.

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Die nächste Schlagzeile im Newsticker lautete: »Armbrüstler und Turboproper fordern Verlängerung der Abstimmung über Schweizer Symbole«

Was hat es mit dieser Abstimmung auf sich? Nächsten Freitag 4. April erfahren auch Sie mehr!

Schweiz am Abgrund (Teil 4)

Was bisher geschah: In seiner zweiten Kolumne liest Markus Harzenmoser über die Anfänge der Abstimmung über Schweizer Symbole. Gleichzeitig fordern die Entführer von Leuthard und Blocher eine Verlängerung dieser Wahl.

Teil 4 – Freitag 4. April 2014 – Zum Teil 1 | 2 | 3 | 5

»Die Vorsitzende, eine gewisse Viola da Palma, ist das ideale Gesicht der HICO. Sie ist jung und attraktiv genug, um eine frische Alternative zu den sattsam bekannten mürrischen Gesichtern des üblichen Politbetriebs zu bilden. Vor allem aber ist sie eine Seconda, eine in der Schweiz aufgewachsene Tochter von aus dem Ausland immigrierten Eltern. Aus ihrer typischen Mischung aus schweizerischen Werten und solchen ihrer ursprünglichen Heimatländer schöpft sie wie viele Secondos und Secondas eine Antriebskraft, die ihr Höchstleistungen und kreative Einfälle ermöglicht.

Im Falle der Schweizer Fussballnationalmannschaft ist allgemein bekannt, dass sie zu wesentlichen Teilen von Secondos lebt. In Wissenschaft und Forschung ist es nicht anders, wie das Beispiel von Viola da Palma zeigt. Sie hat eine bemerkenswerte politikwissenschaftliche Karriere hingelegt und gilt bereits in ihren jungen Jahren als anerkannte Expertin für tiefere Motive bei direktdemokratischen Entscheidungen.

In ihrer Rede im Hirschen erläuterte sie, die Suche nach neuen Symbolen für das, wofür die Schweiz steht und stehen soll, könne nur direktdemokratisch erfolgen. Allerdings habe die rein politische Form der direkten Demokratie zwei störende Grenzen. Erstens müsse man sich immer zwischen Ja und Nein entscheiden, differenziertere Meinungsäusserungen seien nicht möglich. Und zweitens sei die Teilnahme auf Schweizer Bürgerinnen und Bürger beschränkt, wobei bei einer so wichtigen Frage doch auch in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländern eine Teilnahme möglich sein sollte, ja auch Menschen ausserhalb der Schweiz, die sich für dieses Land ernsthaft interessieren.

Man habe sich bei der WICO einen Moment überlegt, eine klassische Volksinitiative zu starten. Schliesslich gebe es immer wieder Volksbegehren, bei denen es um Symbole geht. Da stimmt, beim Minarettverbot etwa ging es ausschliesslich um ein Symbol. Doch eine solche Initiative habe die erwähnten Mängel und würde zudem viel zu viel Zeit kosten.

Erwogen seien auch Vorstösse zur Änderung des Wappenschutz-Gesetzes oder des Markenschutz-Gesetzes, und man habe in Form des Appenzell Ausserrhoder Nationalrats Andrea Caroni auch bereits einen Verbündeten gefunden, der sich dafür einsetzen wolle. Sinnvoll sei das allerdings erst dann, wenn unter möglichst grosser Beteiligung ein neues Symbol für die Schweiz gekürt sein wird.

Gefragt seien für diesen Prozess, so die HICO, frische und neue Wege. Vorbilder dafür gebe es genug. Überall im Netz kann man liken, voten, ranken und auswählen. Und im Fernsehen können alle, die wollen, die Wahl zum hübschesten Modell, zum besten Song oder gar zum Schweizer des Jahres mitbestimmen. Warum also sollte man nicht auch eine Hitparade der Schweizer Symbole auf diese Weise erstellen?

Die HICO hatte für ihre Idee Verbündete gesucht und war bei der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft SRG auf offene Ohren gestossen. Wie deren ebenfalls im Hirschen anwesender Generaldirektor verkündete, schätzte sich die SRG glücklich, auf diese Weise einen Beitrag zur Diskussion über die Werte der Schweiz und über ihre Zukunft leisten zu können. Und da es um visuelle Symbole ging, spielten die Sprachunterschiede eine geringere Rolle als sonst, was es der SRG erlaubte, endlich mal wieder eine gesamtschweizerische Aktion in allen Landesteilen zu starten und damit einen Beitrag zur Einheit des Landes zu leisten.

Konkret soll der Prozess so aussehen, dass in einer ersten Runde alle, die wollten, Vorschläge für ein neues Symbol für die Schweiz einreichen können. Eine kleinere Gruppe von besonders interessierten und engagierten Menschen bewertet diese Vorschläge im Internet. Symbole, die dabei ein bestimmtes Minimum an Unterstützung erhalten, kommen auf die „Longlist“. Daraus wählt ein möglichst grosser Teilnehmerkreis, immer noch im Internet, die zehn überzeugendsten Vorschläge aus.

In einer Serie von Fernsehshows werden diese zehn Vorschläge präsentiert. In jeder Runde wählt das Publikum einen Kandidaten ab, bis nur noch drei übrig bleiben, aus denen in der letzten Runde das Sieger-Symbol gekürt wird. Ab sofort ist auf der Website der HICO eine Anmeldung für die ersten Phasen des Auswahlprozesses möglich, wenngleich nicht anonym.

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Zu den Entführungen fand Markus Harzenmoser im Netz keine Neuigkeiten. Er hatte Zeit darüber nachzudenken, dass er die Idee einer demokratischen Symbol-Auswahl auf neuen Wegen damals sehr gut gefunden hatte. In der Zwischenzeit allerdings war sie gehörig aus dem Ruder gelaufen.«

Was ist schief gelaufen? Sie erfahren mehr, wenn Sie an unserem Fortsetzungsroman dran bleiben…

Schweiz am Abgrund (Teil 5)

Was bisher geschah: Markus Harzenmoser beschäftigt sich mit dem Projekt einer demokratischen Wahl eines neuen Symbols für die Schweiz, das so weit aus dem Ruder gelaufen ist, dass es zu einer Doppelentführung kam.

Teil 5 – Freitag 11. April 2014 – Zum Teil 1 | 2 | 3 | 4

»Die zur Tagung der Hirschen-Connection angereisten Medienleute waren von der Idee einer neuartigen demokratischen Auswahl eines neuen Symbols für die Schweiz sehr angetan und trugen die Botschaft in die Lande hinaus. Ausnahmsweise herrschte Frieden zwischen der SRG und den übrigen wichtigen Medien. Der SRG-Boss hatte grösstmögliche Kooperation angeboten, und da es um einen guten Zweck ging, wollte man am selben Strang ziehen.

Die SRG hat bereits auf allen Kanälen begonnen, Werbung für die Aktion zu machen, und viele Medien haben mitgezogen. So ist es kein Wunder, dass sich bereits ein beträchtliches Interesse am Mitmachen regt. Ich habe eben nachgefragt: Insgesamt xx Menschen haben sich bisher auf der Anmeldeseite eingeloggt. xx Prozent sind bereit, sich unter vollem Namen anzumelden, xx Prozent wollen nur anonym mitmachen, xx Prozent gar nicht. Die Liebhaber der Anonymität haben Pech gehabt, die Initianten des Projekts wollen verhindern, dass unter deren Schutzmantel destruktive Kräfte ein Tummelfeld erhalten.

Ein interessantes Detail habe ich Ihnen in meiner letzten Kolumne vorenthalten. Ein hartnäckiger Journalist wollte von der HICO-Vorsitzenden Viola da Palma nämlich wissen, ob sie nicht ein oder zwei mögliche Beispiele für Schweizer Symbole nennen können, um die Sache anschaulicher und fassbarer zu machen. Sie zierte sich zunächst, weil sie keine falsche Vorauswahl treffen wollte, doch als der Journalist insistierte und dabei von vielen Kolleginnen und Kollegen unterstützt wurde, nannte sie schliesslich doch zwei Beispiele.

Ein klassisches Beispiel für ein Schweizer Symbol sei die Armbrust. Seit 1917 ist die Armbrust ein offizielles Gütesiegel für die Schweizer Herkunft von Produkten und Dienstleistungen im In- und Ausland. Um das Gütesiegel zu bekommen, muss man Mitglied in einem Verein sein, der seit 1989 „Swiss Label“ heisst und dem über 500 Unternehmen angehören.

Ein bisschen, fügte Viola da Palma leicht spitz hinzu, wundere es sie schon, dass ausgerechnet ein eindeutig kriegerisches Symbol für Schweizer Qualität stehen solle. Und warum gerade die Wirtschaft, die bei der Abstimmung doch so sehr auf Offenheit und unbegrenzte Zuwanderung gepocht hatte, ein Symbol der Abwehr, ja der Abschottung gewählt habe.

Als zweites Beispiel nannte sie das Symbol Turboprop. Weil die meisten Mienen Unverständnis ausdrückten, kramte sie aus ihren Unterlagen einen Ausdruck hervor und zeigte ihn herum. Zu sehen war die schematische technische Zeichnung eines Turboprop-Antriebs. Dabei handle es sich, fügte Viola da Palma hinzu, um eine besonders effiziente Methode, ein Fluggerät maximal zu beschleunigen.

Das Symbol war eindrucksvoll. Im hinteren Teil der Turbine glühte der Treibstoff als Symbol für maximale Power, und auf der Narbe des Propellers vorn prangte das Schweizer Kreuz. Auf Nachfrage erklärte die HICO-Vorsitzende, der Turboprop sei das Emblem einer erst kürzlich gegründeten Gruppe vorwiegend jüngerer Wirtschafts- und Finanzleute, die dezidiert wirtschaftsliberale Ziele verfolge und erklärtermassen alles dafür tun wolle, dass die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz möglichst ohne lästige Einschränkungen weitergehe.

Als Symbol für ungebremste wirtschaftliche Dynamik habe diese Gruppe den Turboprop gewählt, und entsprechend nannten sie sich die Turboproper. Das entbehre, meinte eine kluge Journalistin, nicht einer gewissen Ironie. Angelehnt war der Name an die sogenannten „Euro-Turbos“, die angeblich die Schweiz möglichst rasch in die EU führen wollten. Die jetzigen Turboproper dagegen wollten keineswegs EU-Mitglied werden. Als Wirtschaftspartner war ihnen die EU natürlich recht, doch ansonsten wollten sie ungestört an der freien Entfaltung der wirtschaftlichen Wachstumskräfte arbeiten können.

Es war natürlich unvermeidlich, dass die beiden genannten Beispiele überall in der Berichterstattung über das geplante Symbol-Casting auftauchten, in Wort und Bild. Damals fand ich das gut, weil man sich so besser vorstellen konnte, um welche Art von Symbolen es geht. Mittlerweile habe ich meine Zweifel. Die beiden beispielhaften genannten Symbole haben unvermeidlich einen Startvorteil erhalten. Ich verfolge das Geschehen auf der Homepage der HICO laufend, und tatsächlich haben Armbrust und Turboprop als erste das nötige Unterstützungsquorum erreicht.«

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Markus Harzenmoser fand beim Wiederlesen seine damaligen Befürchtungen bestätigt. Von Anfang an war eine unheilvolle Polarisierung vorgespurt worden, jene zwischen den Anhängern ungebremsten Wachstums und denen, die fanden, nun müsse man auf die Bremsen treten. Auf dem Tablet war mittlerweile eine neuen Schlagzeile erschienen: »HICO bietet Geiselaustausch an!«

Lassen sich die Entführer erweichen? Interessiert Sie die Antwort auf diese Frage und würden Sie im Fortsetzungsroman weiterlesen? Falls ja, stimmen Sie doch bitte unten ab. Wir machen erst Mal Osterpause und entscheiden über die Weiterführung des Krimi’s nach den Ostern.

 

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