Blog

Von Thailand und anderen Abenteuern

Uncategorized

Zeiten-Wende 2011!

schmuck

Ergebnisse über Zeit-Orientierung aus dem Jahr 2011, verglichen mit 2004

Waren frühere Jahre noch ganz auf Zukunft eingestellt, so leben wir jetzt im Zeitalter der Gegenwart. Doch diese Gegenwart schließt Vergangenheit und Zukunft mit ein. Die Zukunft gehört der Fließzeit, erlebt als evolutionärer Zeitstrom, in dem die Grenzen zwischen gestern, heute und morgen durchlässig werden.

Ergänzende grundsätzliche Gedanken zum Thema Zeitenwende finden Sie hier.

 

Die Daten stammen von einer Befragung von spirit.ch vom Januar 2011, die Vergleichsdaten von SensoNet, dem Vorläufer-Projekt von spirit.ch., aus einer Befragung von 2004. Geantwortet haben 2011 ca. 130, 2004 ca. 200 Teilnehmende.

Zeitorientierung ist wichtig für Lebensqualität

Sechzig Prozent der Befragungsteilnehmenden bewerten die Orientierung in der Zeit als wichtig für ihre Lebensqualität:

zeit_und_lq

Wenn man seine Lebensqualität optimieren will, lohnt sich also die Auseinandersetzung mit der Zeit!

Die Zukunft ist Vergangenheit

Wie misst man Zeit-Orientierung? Wollte man diese Frage wirklich allen Ernstes beantworten, wäre die schiere Verzweiflung das Ergebnis. Ich habe mich ihr deshalb spielerisch angenähert, wohl wissend, dass mehr als Näherungen ohnehin nicht möglich sind. Doch auch sie ermöglichen oft erhellende Einblicke.

Statt ausgeklügelte Testbatterien zu entwickeln, wollte ich eine einfache Frage stellen:

In welchem der folgenden Zeiträume leben Sie vor allem? Wie ist das heute, wie war es vor zehn Jahren, und wie wird es in zehn Jahren sein?

Die Teilnehmenden an den beiden Befragungen waren die richtigen Ansprechpartner für diese Frage. Sie sind sensibilisiert für grundsätzliche Fragen rund um Werte und Orientierungen, sie interessieren sich für ihre eigene Position in solchen Fragen und für die der anderen, sie besitzen die Gabe, sich selbst beobachten zu können, auch rückblickend, und sie haben die Phantasie, sich ihre eigene Entwicklung ausmalen zu können. Kurzum, sie sind die idealen Beobachter für Veränderungen in der Zeit-Orientierung.

Nur: Welche Zeiträume sollte ich als Antworten auf diese Frage vorgeben? Solche Vorgaben sind erfahrungsgemäß nötig, und sie sind auch sinnvoll – wenn sie das Spektrum möglicher Antworten einigermaßen abdecken.

Drei Vorgaben waren gegeben, weil sie selbstverständlicher Bestandteil unserer Wahrnehmung und unseres Denkens sind: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Doch reichte dies aus? Ich tat, was ich in solchen Fällen immer tue: Ich habe mich selbst gefragt. Und herausgefunden, dass ich eine vierte Antwort bevorzugen würde, die ich intuitiv wie folgt formulierte: im evolutionären Zeitstrom (die Grenzen zwischen gestern, heute und morgen sind fließend).

Das ist sicher alles andere als eine exakte Definition dessen, was wir abgekürzt Fließzeit nennen wollen, beschreibt mehr ein Zeit-Gefühl – doch genau darum geht es bei dieser Frage danach, in welchem Zeitraum man vor allem lebe.

Und hier sind die Antworten von 2011:

zeitraum

Was zeigen uns diese Kurven? Zunächst einen wenig überraschenden Befund: Bei spirit.ch finden sich nur Vereinzelte, die sich vorwiegend an der Vergangenheit orientieren, und daran wird sich auch nichts Wesentliches ändern. Die Devise „alles, was ich bin, ist Erinnerung“, ist kein Zukunftsmodell.

Dramatisch verläuft dagegen die Kurve der Zukunft („nur, was ich werde, zählt“): Während sich vor zehn Jahren noch die Hälfte vorwiegend an der Zukunft orientierte, sackte dieser Anteil bis heute auf unter zehn Prozent, und er wird sich im nächsten Jahrzehnt davon auch nicht mehr erholen.

Hat sich die Orientierung in der Zeit in den Jahren zwischen 2004 und 2011 verändert? Hier die Vergleichsdaten:

zeitorientierung

Gewisse Verschiebungen sind feststellbar, unter anderem eine kleine Renaissance der Vergangenheit, verbunden mit einer weniger euphorischen Konzentration auf die reine Gegenwart. Gestärkt hat sich die Position der Fliesszeit – was eine Erfüllung der Prognose von vor sieben Jahren bedeutet…

Noch immer gilt jedoch:Die Zukunft ist Vergangenheit.

Dazu trägt ein anderes Phänomen sicher bei: Der Höhepunkt an Lebensqualität ist nämlich mit unserer Generation erreicht, von nun an geht es wieder bergab. Ich habe in bedien Befragungen gefragt, mit welchem Wert man die Lebensqualität anderer Generationen einschätze, wenn die der eigenen Generation 100 betrage. Das waren die Ergebnisse:

lqi-generationen

Die Zeiten, in denen jede Elterngeneration automatisch das Gefühl haben konnte, der nächsten Generation ginge es besser, sind also vorbei.  Das vermindert die Attraktivität der Zukunft natürlich zusätzlich. Allerdings: 2011 herrscht bezüglich Zukunft wieder ein bisschen mehr Optimismus als noch 2004.

Die Gegenwart liegt im Trend

Ähnlich auffällig, wie die Zukunft als Basis-Zeit an Wert verloren hat, hat dafür die Gegenwart gewonnen. 2011 sagt die Hälfte, sie lebte heute „ganz entspannt im Hier und Jetzt“. Der Höhepunkt ist damit allerdings erreicht, in zehn Jahren wird die Gegenwart nur noch für rund dein Drittel die Basis-Zeit sein. Vor sieben Jahren dominierte die Gegenwart allerdings noch viel klarer, der damals vorhergesagte Trend zur einer reduzierten Bedeutung der Gegenwart hat sich bestätigt.

Und irgendwann im nächsten Jahrzehnt wird sich diese Kurve mit jener der Fließzeit kreuzen: Jene, die als Basiszeit den „evolutionären Zeitstrom“ wählen, in dem „die Grenzen zwischen gestern, heute und morgen fließend sind“, werden dann die Mehrheit bilden. Die Kurve für die Fließzeit verläuft als einzige kontinuierlich aufwärts.

Eines steht damit schon mal fest: Eine Zeit-Orientierung, welche die Vergangenheit oder die Zukunft als Basis-Zeit erster Ordnung wählt, hat weder Gegenwart noch Zukunft. Das begonnene 21. Jahrhundert lebt stark in der Gegenwart.

Das ist eine kluge Entscheidung: In der Gegenwart lebt es sich nun mal nicht nur am intensivsten, sondern auch am entspanntesten. Zurück also in die Achtziger Jahre ? Nein: Während damals Vergangenheit und Zukunft einfach ausgeblendet wurden, bleiben beide heute offenbar sehr wohl im Blickfeld.


Die Zukunft gehört der Fließzeit

Darauf deutet die steile Karriere der Fließzeit hin. Das Charakteristikum dieser Zeit-Orientierung ist es ja, dass die Grenzen zwischen den traditionellen Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fließend werden, dass sie sich vereinen zu einem evolutionären Zeitstrom. Es geht dabei also um Integration statt Abgrenzung, und das bedeutet, dass auch bei der gegenwärtigen Betonung der Gegenwart die Grenzen zu gestern und morgen schon fließend geworden sind. Und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Die Zukunft gehört der Fließzeit.

Für unsere Kultur ist diese Form der Zeit-Orientierung etwas grundsätzlich Neues, auch wenn andere Kulturen ähnliche Konzepte hervorgebracht haben. Bei uns war, bei allen Schwankungen in den Vorlieben für die eine oder andere Zeit, immer klar, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft klar voneinander geschieden sind. Die Grenzen dazwischen schienen unüberwindbar.

Jetzt lernen wir offenbar allmählich, uns als im Zeitstrom schwimmend zu erleben und zu erfahren. Was hinter uns liegt, ist zwar immer noch vorbei, und was vor uns liegt, immer noch unsichtbar, doch Vergangenheit und Zukunft sind dabei Elemente des einen Zeitstroms, dessen Zentrum für uns die Gegenwart ist.

Weil wir uns mitten drin in diesem fundamentalen Wandel unseres Zeit-Gefühls befinden, und weil es sich dabei tatsächlich mehr um ein ahnendes Gefühl als um präzises Wissen handelt, können wir uns sprachlich derzeit diesem Phänomen nur tastend und tapsend nähern. Das heißt nicht, dass es nicht existiert oder nicht wichtig wäre. Die einfachen Kurven unserer Abbildung sprechen klar für das Gegenteil. 

Horizont-Öffnung

So gut die Frage nach der bevorzugten Basis-Zeit funktioniert hat, um zu zeigen, dass es tatsächlich fundamentale Veränderungen in der Zeitorientierung gab, gibt und geben wird, so sehr hat sie auch einen Haken: Sie engt ein, indem sie dazu zwingt, sich auf eine Antwort zu beschränken.

Das steht im Widerspruch zu einem anderen fundamentalen Wandel an der Basis unseres Denkens: An die Stelle des „konsequenten entweder – oder“ tritt mehr und mehr ein „entschiedenes sowohl – als auch“. Wenn wir also nur nach dem Sieger fragen, könnten wir darob verpassen wahrzunehmen, was dahinter geschieht, obwohl dies mindestens so spannend sein könnte.

Deshalb musste eine zweite Frage her. Für alle vier Basis-Zeiten wollten wir jetzt  gesondert wissen, ob und wie sich das Verhältnis dazu verändert hätte. Die Fragen lautete:

Haben Sie in den letzten Jahren bei sich eine Tendenz festgestellt, sich stärker der … zuzuwenden?

Und so haben die Teilnehmenden 2011 und 2004 geantwortet:

zeitzuwendung

Gross fallen die Unterschiede zwischen 2004 und 2011 nicht aus, weshalb für beide Momemtaufnahmen derselbe Befund gilt:

Das Gesamtbild zeigt tatsächlich eine neue Realität: Die Zuwendung zu allen vier Basis-Zeiten ist im letzten Jahrzehnt gewachsen und wird dies auch im nächsten tun. Im Fall der Vergangenheit gilt dies „nur“ für eine qualifizierte Minderheit, bei allen anderen drei Basis-Zeiten sogar für eine deutliche Mehrheit. Das bedeutet: Es ist möglich, sich sowohl verstärkt der Gegenwart zuzuwenden als auch den anderen Zeiten. Und diese Möglichkeit des entschiedenen sowohl als auch wird offenkundig genutzt. Das ist ein Akt echter Bewusstseins-Erweiterung.

Im Falle der Vergangenheit ist diese Tendenz am schwächsten. Das erstaunt nicht weiter, fördert es doch manchmal die Lebensqualität, wenn man sich von der Vergangenheit ein Stück weit abwendet. Im nächsten Jahrzehnt wird die Zuwendung zur Vergangenheit deutlich stärker werden, was schlicht auch daran liegen mag, dass wir bis dann alle mehr Vergangenheit haben…

Die hohen Werte für eine verstärkte Zuwendung zur Gegenwart in den letzten zehn Jahren decken sich mit dem rasanten Aufstieg der Gegenwart zur dominanten Basis-Zeit. Der Trend wird abgeschwächt weiter gehen, auch das haben wir bereits gesehen. Zuwachs auf hohem Niveau ist angesagt.

Spannend ist der Fall der Zukunft: Obwohl diese im letzten Jahrzehnt vom Olymp der dominierenden Basis-Zeit bös abgestürzt ist, hat sich in dieser Zeit die Zuwendung zu ihr deutlich verstärkt, und ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen. Für Zukunftsforscher ist das eine sehr erfreuliche Nachricht… 

Fließzeit – die neue Zeit-Orientierung

Klar wiederum zeigen auch diese Zahlen: Der eigentliche Aufsteiger ist die Fließzeit. Ihr haben sich schon die meisten verstärkt zugewendet, und das wird so weiter gehen, weshalb die beste Zeit dieser Zeit-Orientierung erst noch kommt.

Die Zahlen sind eindeutig: Mehr und mehr Menschen setzen sich bewusster und intensiver mit der Zeit und ihren Dimensionen auseinander. Das bedeutet: Zeit-Orientierung wird ihnen immer wichtiger. Und ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen.

Zum Thema ein Text von Friedrich Rückert (aus „Die Weisheit der Brahmanen, siebte Stufe. Erkenntnis“)

Leb in der Gegenwart! Zu leer ist und zu weit

Der Zukunft Haus, zu groß das der Vergangenheit.

In beiden weißt du nicht den Hausrat eintzurichten

Der ungeschehnen und geschehehenen Geschichten.

Doch dass die Gegenwart nicht eng dir sei und klein,

Zieh die Vergangenheit und Zukunft mit herein.

Die beiden mögen dir erfüllen und erweitern

Die Wohnung und mit Glanz die dunkle schön erheitern.

 

Fassen wir zusammen: Unsere Zeit-Orientierung, unser Verhältnis zu den Dimensionen der Zeit, wird

–       bewusster

–       intensiver

–       integrativer

–       dynamischer

–       evolutionärer

–       wichtiger.

Ein Müsterchen zum Schluss: Gefragt, ob man gerne in die Vergangenheit (bzw. in die Zukunft) reisen würde, ergaben sich diese Antwortverteilungen:

reise-vergang

reise-zukunft

Die ähnlich lautende Ergebnisse für Vergangenheit und Zukunft zeigen, dass die Neugier auf die Zeit tatsächlich groß ist und sich sowohl rückwärts als auch vorwärts richtet. Allerdings: In den letzten sieben Jahren hat das Interesse an Zeitreisen doch etwas nachgelassen…

Auch wenn uns das Vergnügen der Zeitreise wohl versagt bleiben wird: Einen Blick in Vergangenheit und Zukunft der Zeit-Orientierung konnten wir werfen. Das ist gut so, denn auch für die neue Zeit-Orientierung gilt:

zeitenwende-end 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert