Materialismus senkt LQ!

Hier geht es um die Wurst:
spirit.ch kann es beweisen: (Zu) hohe Bedeutung der Lebensqualitäts-Sphäre „Materie“ wirkt sich negativ auf das Lebensqualitäts-Konto aus. Umgekehrt fördert offenbar eine erhöhte Bedeutung der Lebensqualitäts-Sphären Offenheit, Beziehungen, Respekt, Nachhaltigkeit, Echtheit, Reifung, Sinn und Lebenskunst die persönliche Lebensqualität.
Na ja, „beweisen“ ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Es gibt in der Sozialforschung nie eindeutige Zusammenhänge, nur tendenzielle. Im Einzelfall muss ein solcher Zusammenhang also nicht stimmen, aber er wird mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zutreffen. Und das dürfte doch Grund genug sein, etwas genauer hinzugucken. Schliesslich geht es um Ihr Lebensqualitäts-Konto…
Die Idee vom Lebensqualitäts-Konto
Natürlich lässt sich Lebensqualität nicht wirklich messen – es geht dabei schliesslich um Qualität, die im Gegensatz zu Quantität nicht quantifizierbar und damit messbar ist. Zudem kann jede und jeder nur für sich definieren, was Lebensqualität ausmacht und bedeutet. Doch niemand hindert uns daran, spielerisch so zu tun, als ob es doch so etwas wie ein quantifizierbares Lebens-Qualitäts-Konto gäbe – immer im Wissen darum, dass es sich dabei „nur“ um eine Annäherung handelt, die wir nicht tierisch ernst nehmen müssen.
Diese Annäherung geschieht in Form der folgenden Frage:
Wenn Sie einmal die höchste Lebensqualität, die Sie für sich denken können, mit dem Wert 100 beziffern: Wie hoch ist dann Ihre derzeitige allgemeine Lebensqualität? (als Ganzes, nicht auf den jetzigen Augenblick beschränkt)
In verschiedenen Online-Befragungen, wie auch live bei Vorträgen, hat sich immer wieder gezeigt, dass die meisten Menschen diese Frage problemlos beantworten können und damit das Spiel mit dem Lebensqualitäts-Konto, oder, noch etwas seriöser formuliert, mit dem Lebensqualitäts-Index, gerne und leicht mitspielen.
In unseren Online-Umfragen können wir nun diesen Lebensqualitäts-Index in Beziehung zu anderen Fragestellungen bringen und so feststellen, ob es einen Zusammenhang gibt. Falls ja, können wir vorläufig davon ausgehen, dass wir einen Wirkungs-Zusammenhang entdeckt haben. Der wiederum Sie zum Nachdenken anregen könnte…
Ein Beispiel für einen solchen Zusammenhang in seiner einfachsten Form sind diese zwei Zahlen aus der neusten Umfrage über Nachhaltige LebensQualität vom Frühling 2009: Bei den Befragten unter fünfzig schrieben sich 28 Prozent einen LQ-Index über 80 (von 100 möglichen Punkten) zu. Bei den Befragten über fünfzig waren es dagegen 44 Prozent.
Das bestätigt frühere Ergebnisse unserer Lebensqualitäts-Forschung, wonach der Höhepunkt der Lebensqualität in der Phase zwischen fünfzig und achtzig zu erwarten ist, dass also die Idee von der Reifen Lebensqualität kein Hirngespinst ist, sondern Realität, über die sich die bereits älteren Jahrgänge freuen dürfen, und auf die sich die Jüngeren freuen können. Doch Vorsicht: älter werden wir von allein, reifer nicht…
Die Bedeutung der Lebensqualitäts-Sphären
Ähnlich einfach sind wir auch der Frage nachgegangen, wie sich allfällige Unterschiede im Lebensqualitäts-Profil auf das Lebensqualitäts-Konto auswirken. Wieder haben wir jene Befragten mit einem deutlich überdurchschnittlichen LQI-Index dem Rest gegenüber gestellt. Der Durchschnittswert lag (wie meistens) bei 75 Punkten, ausgewählt haben wir alle mit einem Wert von über 80, das waren 39 Prozent aller Befragten.
Das Lebensqualitäts-Profil zeigt die subjektive Bedeutung der sechzehn wichtigen Lebensqualitäts-Sphären, erfasst mit dieser Frage:
Wie wichtig ist jede der folgenden sechzehn Sphären für Ihre generelle Lebensqualität? Bitte drücken Sie das mit einer Zahl zwischen 1 (völlig unbedeutend) bis 10 (extrem wichtig) aus.
Die Lebensqualitäts-Profile der beiden Gruppen mit hoher und weniger hoher Lebensqualität lassen sich nun vergleichen:

Das rote Profil nehmen wir sofort als das äussere wahr, weil sie bei den meisten Sphären entweder gleich auf mit der blauen liegt, oder eben weiter aussen. Übersetzt heisst das: Die meisten Lebensqualitäts-Sphären sind für die Menschen mit hoher Lebensqualität gleich wichtig oder aber wichtiger als für jene mit nicht so hoher.
Mit einer Ausnahme: Die Sphäre der Materie ist für jene mit tieferem LQ-Index bedeutsamer für die eigene generelle Lebensqualität als für jene mit hohem LQ-Index. Was uns durchaus ins Sinnieren bringen könnte. Natürlich ist es denkbar, dass da ein indirekter Zusammenhang wirkt, weil eher Leute mit viel Materie, die sich um Einkommen und Besitz nicht so sehr kümmern müssen, einen hohen LQ-Index aufweisen. Wir wissen es noch nicht, das ist eine der vielen offenen Fragen, die künftige Lebensqualitäts-Forschung auf dieser Plattform beantworten wird…
Schon vorher können Sie für sich beantworten, ob nach Ihrer Intuition nicht doch auch ein direkter Zusammenhang vorliegen könnte: Wenn man der materiellen Sphäre mehr als die ihr gebührende Aufmerksamkeit und Bedeutung schenkt, reduziert das die generelle Lebensqualität. Während es diese offenbar befördert, wenn man mehr Gewicht auf die erwähnten Sphären Offenheit, Beziehungen, Respekt, Nachhaltigkeit, Echtheit, Reifung, Sinn und Lebenskunst legt. Die Indizien sprechen jedenfalls dafür…
Entkoppelung von Lebensstandard und Lebensqualität
Ein weiteres Indiz findet sich einer Frage, die bereits im Jahr 2005 einmal gestellt worden war. Es ging dabei um die Zustimmung zu einigen Äusserungen über den Zusammenhang zwischen Lebensstandard (Kaufkraft) und Lebensqualität.
Auch dabei lohnt sich der Vergleich der beiden Gruppen mit hoher und weniger hoher Lebensqualität:

Deutlich wird bei allen Statements: Für die Gruppe mit einem LQ-Index von über 80 ist der Zusammenhang zwischen Kaufkraft und Lebensqualität lockerer als für die Vergleichsgruppe. Menschen mit hoher Lebensqualität sind also besser in der Lage, Lebensstandard und Lebensqualität zu entkoppeln. Und auch hier stellt sich die Frage, ob der Zusammenhang nicht auch umgekehrt wirken könnte: Wenn wir lernen, unsere Lebensqualität unabhängiger von materiellen Dingen zu machen, steigt sie tendenziell. (Die neusten Ergebnisse zu dieser Frage finden Sie übrigens hier.)
Noch sind viele Fragen offen – wir bleiben dran. Denn die Frage, was unser Lebensqualitäts-Konto steigen oder fallen lässt, ist schliesslich nicht ganz unerheblich. Und auch wenn uns niemand unsere konkreten Antworten darauf abnehmen kann, so lässt sich doch von anderen viel lernen. Auch und gerade durch statistische Analysen…